„Wer Pressefreiheit wirklich will, muss die Rahmenbedingungen sichern, unter denen freie Presse möglich ist” – Julia Becker fordert faire Bedingungen für unabhängigen Journalismus
„Die Freiheit der Medien, vor allem aber die Freiheit der vielen Journalistinnen und Journalisten, ist eines der höchsten Güter unserer Demokratie. Und wir sehen leider, dass eben diese Freiheit auch in unserem Land immer öfter unter Druck gerät.“ Mit diesem eindringlichen Appell hat Julia Becker, Verlegerin und Aufsichtsratsvorsitzende der FUNKE Mediengruppe, die politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsträger beim heutigen Medienforum der freien Presse des MVFP aufgerufen, faire Rahmenbedingungen für unabhängigen Journalismus zu schaffen. Becker betonte, dass die Plattformgiganten enorme Gewinne mit journalistischen Inhalten erzielen, ohne die Verlage angemessen zu beteiligen. „Umso mehr gilt: Wer Pressefreiheit wirklich will, muss die Rahmenbedingungen sichern, unter denen freie Presse möglich ist.”
Im Rahmen des Forums „Verantwortung: Wie geht Pressefreiheit ohne freie Presse?“ erinnerte Peter Müller, ehemaliger Bundesverfassungsrichter und früherer Ministerpräsident des Saarlandes, in seiner Keynote an die verfassungsrechtliche Bedeutung freier Medien für eine wehrhafte Demokratie: „Die grundgesetzliche Pressefreiheit ist nicht nur ein Abwehrrecht, sondern auch eine institutionelle Garantie. Durch die außenplurale Abbildung der Vielfalt der Meinungen leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung im demokratischen Gemeinwesen“, so Müller. Aus dieser verfassungsrechtlichen Funktion leitete er konkrete Schutz- und Gewährleistungspflichten für den Staat ab – insbesondere im digitalen Zeitalter. So müsse dieser sicherstellen, dass diskriminierungsfreie Zugänge und faire Wettbewerbschancen gegenüber den Plattformbetreibern bestehen. Gleichzeitig sei zu verhindern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mit presseähnlichen Angeboten in einen Verdrängungswettbewerb mit der Presse eintritt. Darüber hinaus liege die Erhaltung und Förderung der Außenpluralität der Presseerzeugnisse im öffentlichen Interesse, unterstrich Müller in seinem Impuls. „Wenn der Staat schon Mehrwertsteuerermäßigungen für die Gastronomie als geboten ansieht, müsste dies erst recht angesichts ihrer Bedeutung für den – zunehmend notleidenden – demokratischen Diskurs für die Presse gelten.“
Im Anschluss diskutierten Julia Becker, Markus Feldenkirchen (politischer Autor im Hauptstadtbüro des SPIEGEL), Nathanael Liminski (Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei) und Peter Müller unter Moderation der Journalistin Tanit Koch über die Verantwortung der Politik, die freie Presse in Zeiten zunehmender Polarisierung und Radikalisierung zu stärken.
Markus Feldenkirchen warnte mit Blick auf die USA vor den Folgen eines schleichenden Autoritarismus: „Wenn Journalismus erodiert und Verlage sterben, hat die populistische Rechte leichtes Spiel – das sehen wir in den USA seit Jahren. Da, wo freie Presse wegfällt, gerät Demokratie ins Wanken. Die Politik muss dem entschlossener entgegentreten – gerne auch mit einer Digitalsteuer, die faire Rahmenbedingungen für professionellen Journalismus schafft.“
Nathanael Liminski will die freie Presse durch gezielte Maßnahmen wirkungsvoll stärken: „Auch im Netz muss das Recht durchgesetzt werden, müssen Regeln gelten. Wenn wir nicht bald wirksam regulieren, gefährden wir die wirtschaftliche Grundlage des Journalismus und am Ende auch die Demokratie. Denn wo mediale Teilhabe zurückgeht, schrumpft die demokratische Teilnahme. Unsere Aufgabe als Politik ist es, auch im Zeitalter der Plattformen für faire Rahmenbedingungen zu sorgen – damit Journalismus vielfältig und unabhängig bleiben kann.“ Dabei sei auch in Sachen Mehrwertsteuer das letzte Wort noch nicht gesprochen, so Liminski. Wenn man Milliarden für die Reduzierung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und andere Vorhaben habe, sei es befremdlich, wenn die Millionen für die Reduzierung der Mehrwertsteuer für die freie Presse nicht vorhanden seien.
Verlässlichkeit in der digitalen Ära: Qualität schafft Vertrauen
Im zweiten Forum „Verlässlichkeit: Journalistische Qualität als Fundament des Vertrauens“ plädierte Ladina Heimgartner, CEO von Ringier Medien Schweiz, Präsidentin des Weltverlegerverbands WAN-IFRA und MVFP-Vorständin, für ein stärkeres internationales Bewusstsein: „Es gibt verschiedenartige Anbieter von Content – aber nur professionelle Medien arbeiten entlang von Regeln, die Gesellschaft und Demokratie ins Zentrum rücken. Die freie Presse weltweit muss ihre Unterscheidbarkeit sichern und kommunizieren.“
Sie verwies auf das von der Delegiertenversammlung verabschiedete Grundsatzpapier „Verantwortung. Verlässlichkeit. Vielfalt. Was die professionellen Medien der freien Presse unterscheidet von AI-Inhalten, sozialen Medien und digitalen Plattformen“. In dieser Erklärung betonen die Verlage ihre besondere Verantwortung für eine von politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme unabhängige Berichterstattung, ihr Selbstverständnis als verlässliche Quelle in einer Ära der digitalen Desinformation und ihren Anspruch, die Vielfalt einer pluralistischen Gesellschaft journalistisch abzubilden. „Wenn Algorithmen die Öffentlichkeit strukturieren, braucht es journalistische Gegengewichte – mit Haltung, Verantwortung und Kontrolle über die Inhalte. Davon profitieren Userinnen und User, aber auch die Werbekunden.”
Im Rahmen des Forums diskutierte sie mit Clarissa Moughrabi, Leitung research consulting data, Axel Springer Deutschland und Mitglied der Geschäftsführung, Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung (GIK), Dr. Tonio Kröger, Gründer der Kreativagentur antoni/Omnicom sowie Moderator Jochen Kalka, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur schoesslers, darüber, wie sich Vertrauen messen und sichern lässt – und welche Rolle die freie Presse im digitalen Wettbewerb spielt.
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