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Wie Journalismus junge Menschen gewinnen kann

Print & Digital MVFP impuls

Vanessa Bitter von #UseTheNews und Katrin Bartilla vom SPIEGEL sprachen mit MVFP impuls darüber, wie junge Menschen heute mit Nachrichten umgehen, welche Formate sie erreichen – und warum Transparenz, Experimente und echter Dialog entscheidend sind, um Vertrauen aufzubauen.


MVFP impuls | Frau Bitter, Frau Bartilla, Sie beide beschäftigen sich intensiv mit jungen Zielgruppen. Welches Bild haben Sie von der „jungen Zielgruppe“ und wer gehört aus Ihrer Sicht dazu?

Vanessa Bitter | Bei #UseTheNews haben wir bislang den Fokus auf 14- bis 24-Jährige gelegt. Unsere Studien zeigen: Innerhalb dieser Altersgruppe gibt es sehr unterschiedliche Wissensstände und Interessen an Nachrichten – von journalistisch Orientierten bis hin zu Jugendlichen, die sich kaum informieren. Für viele fehlt vor allem der Bezug zum eigenen Leben. Genau hier setzen wir mit unserer Initiative an.

Katrin Bartilla | Für mich hat sich nicht das eine Bild ergeben, sondern vielmehr ein Mosaik mit gewissen Mustern. Denn das Bedürfnis nach Informationen ist altersübergreifend ähnlich. Wie es gestillt wird, unterscheidet sich jedoch zwischen denjenigen, die das Leben vor dem Internet und den Plattformen noch kennen, und denjenigen, die damit aufgewachsen sind. Gleichzeitig übernehmen ältere Zielgruppen zunehmend das Verhalten der jüngeren, sodass die Grenzen verschwimmen und sich die Mediennutzung insgesamt verändert.

Frau Bitter, #UseTheNews geht der Nachrichtennutzung und -kompetenz junger Menschen auf den Grund und entwickelt neue Informations- und Bildungsangebote. Wie beurteilen Sie die Rolle klassischer Presseprodukte wie Zeitschriften für junge Menschen heute und welche Chancen sehen Sie, sie mit Printmedien zu erreichen?
Bitter | Für junge Menschen spielt Print heute nur noch eine geringe Rolle. Ihre Informationswelten sind digital, mobil und geprägt von Social Media. Für Verlage bedeutet das: Sie sollten neue Wege ausloten, um relevant zu bleiben. Das kann heißen, journalistische Inhalte stärker für digitale Plattformen zu denken und Formate zu entwickeln, die an die Nutzungsgewohnheiten junger Menschen angepasst sind. Print allein wird nicht die Brücke zur jungen Generation schlagen können – wohl aber ein kluges Zusammenspiel aus journalistischer Qualität, Kreativität und Angeboten, die dort stattfinden, wo junge Menschen wirklich unterwegs sind.

Frau Bartilla, der SPIEGEL verschenkte letztes Jahr 30.000 SPIEGEL+-Zugänge an unter 30-Jährige. Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus dieser Aktion über das Abo-Verhalten junger Zielgruppen und was bedeutet das für die Vertriebsstrategie der SPIEGEL-Gruppe?
Bartilla | Uns war es wichtig, jungen Leserinnen und Lesern ein intensives Produkterlebnis zu bieten und gleichzeitig mehr über ihr Nutzungsverhalten zu lernen. So wollen wir sie langfristig an uns binden. Denn das, wofür die Marke SPIEGEL steht – unabhängiger und aktueller Qualitätsjournalismus –, wird auch von jüngeren Zielgruppen geschätzt. Wir waren z. B. überrascht, wie regelmäßig diese Leserinnen und Leser unsere Live-Ticker zu aktuellen Geschehnissen verfolgen und auch sonst ähnliche Themen wie ältere Personen konsumieren. Unterschiedlich sind eher die Zeiten, zu denen sie bei uns sind. Dass gleichzeitig eine hohe Affinität für die App besteht und es wichtig ist, dass Nachrichten in den sozialen Medien stattfinden, wo junge Menschen ohnehin unterwegs sind, hat sich durch die Aktion bestätigt. Auf diesen Erkenntnissen bauen wir im Vertrieb auf, u. a. durch Werbekampagnen und Kooperationen mit Content-Creatoren auf Social Media.

Über welche Formate – Text, Video, Audio, Social Media – erreicht man junge Menschen Ihrer Erfahrung nach am besten?
Bitter | Aus unserer Erfahrung gibt es nicht das eine Format, das alle jungen Menschen gleichermaßen erreicht. Entscheidend ist vielmehr, dass Inhalte dort erscheinen, wo die Zielgruppe ohnehin unterwegs ist – und in der Form, die zu ihrem Nutzungsverhalten passt. Neben Kurzvideos auf TikTok, YouTube oder Instagram werden auch Livestreams auf den Plattformen immer beliebter. Sie schaffen Nähe, wirken authentisch und ermöglichen direkte Interaktion. Auch Podcasts und andere Audioformate funktionieren gut, weil sie sich gut in den Alltag integrieren lassen. Wichtig ist, dass die Inhalte authentisch, verständlich und plattformgerecht aufbereitet sind.

Bartilla | Aus meiner Sicht braucht es ein breites Angebot, aus dem sich jede und jeder das Passende heraussuchen kann. Vielfalt und Machart sind entscheidend. Für Marken ist ein hoher Wiedererkennungswert über alle Kanäle hinweg wichtig. Persönliche und erklärende Einblicke in die Recherche und die journalistische Arbeitsweise holen jüngere Zielgruppen besonders gut ab. Die SPIEGEL-Redaktion nutzt dafür z. B. das wochentägliche Video- und Podcast-Format Shortcut.

Frau Bitter, beim Distribution Summit sprachen Sie über die Erwartungen junger Menschen an Journalismus. Wenn Sie den Blick nach vorn richten: Welche Entwicklungen – sei es bei Formaten, Plattformen oder Vertriebswegen – werden aus Ihrer Sicht besonders wichtig sein, um junge Zielgruppen auch in Zukunft zu erreichen?
Bitter | Es wird vor allem darauf ankommen, junge Menschen stärker einzubeziehen: ihnen zuzuhören, mit ihnen in den Austausch zu gehen und sie aktiv mitwirken zu lassen. Transparenz und Partizipation sind das wirksamste Mittel, um Vertrauen aufzubauen und deutlich zu machen, warum Nachrichten eine Bedeutung für ihr eigenes Leben haben. Genau das setzen wir u. a. in unserem „Competence Center Young Audiences“ um. In diesem neuen Praxislabor bringen wir Medienhäuser und Jugendliche, begleitet durch Medienpädagoginnen und -pädagogen, zusammen und entwickeln in Co-Creation neue journalistische Angebote.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit zwischen Initiativen wie #UseTheNews und Medienhäusern wie dem SPIEGEL, um junge Menschen für professionellen Journalismus zu gewinnen?
Bitter | Die Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht zentral. #UseTheNews versteht sich als Netzwerk, das bewusst unterschiedliche Partner zusammenbringt – ob öffentlich-rechtlich oder privat, überregional oder lokal. Denn wenn es darum geht, Nachrichtenkompetenz zu vermitteln und junge Menschen vom Wert des Journalismus zu überzeugen, müssen etablierte Medienhäuser enger kooperieren und voneinander lernen. Genau dafür haben wir mit #UseTheNews eine Plattform geschaffen. Ein gutes Beispiel sind unsere Newscamps: regionale Eventformate, die wir gemeinsam mit verschiedenen Partnern entwickeln und umsetzen. Solche Kooperationen zeigen, wie wirkungsvoll es sein kann, Kräfte zu bündeln und junge Zielgruppen mit vereinter journalistischer Kompetenz zu erreichen.

Bartilla | Wir schätzen diese Zusammenarbeit sehr, weil wir durch den Zugang zu wissenschaftlichen Untersuchungen und den Austausch mit anderen Medienhäusern viel lernen können. Es ermutigt uns zu experimentieren, da wir merken, dass wir alle im gleichen Boot sitzen.

Welchen Tipp würden Sie jungen Menschen geben, die ihre Mediennutzung reflektierter gestalten wollen? Und umgekehrt: Welchen Rat würden Sie den Medien geben, die junge Menschen erreichen wollen?
Bartilla | Achtet darauf, woher ihr eure Informationen bezieht. Dieser Satz gilt für uns alle, nicht nur für junge Menschen. Denn fragwürdige Links in Familienchats zu teilen, ist mitnichten ein rein junges Phänomen. Ich glaube, wir alle stehen, nicht zuletzt angesichts von KI, vor der Herausforderung, unser Mediennutzungsverhalten genau im Blick zu behalten. Medienhäusern möchte ich raten: Einfach mal machen! Ausprobieren, experimentieren und in den Austausch gehen. Ideen, die in Schubladen bleiben, haben schon verloren.

Bitter | Jungen Menschen würde ich raten: Nehmt euch bewusst Zeit, eure Informationsquellen kritisch zu hinterfragen. Woher stammen die Nachrichten, wer steckt dahinter, und welche Perspektiven fehlen vielleicht? Wer sich breit informiert und auch mal aus seiner „Filterblase“ heraustritt, bekommt ein sehr viel klareres Bild von der Welt. Medienhäusern würde ich mitgeben: Traut euch, stärker in den direkten Austausch mit jungen Zielgruppen zu gehen und ihnen echte Mitwirkung zu ermöglichen. Wer Jugendliche ernsthaft beteiligt, gewinnt nicht nur an Relevanz, sondern baut auch langfristiges Vertrauen auf.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste bewusste „Nachrichtenerfahrung“, also eine Meldung oder ein Ereignis, das Sie als Jugendliche geprägt hat?
Bartilla | Ich weiß noch, wie ich als kleines Kind abends die Tagesschau mitanschauen durfte und der Schlafenszeit eine Viertelstunde abringen konnte. Auch wenn ich nichts verstand, fand ich das faszinierend, weil meine Familie mit dem Fernseher sprach – „Ach, der schon wieder!“ – und ich manchmal dazu aufgefordert wurde, wegzuschauen, wenn die Bilder allzu düster waren. Ich habe natürlich trotzdem geblinzelt. An den Reaktionen meiner Familie merkte ich, dass Nachrichten etwas Wichtiges sein mussten, für das man sich die Zeit nehmen und bei dem man hinschauen sollte, auch wenn es manchmal unangenehm war. Am spannendsten fand ich aber die Lottozahlen und das „Gewehr“, das für mich partout keinen Sinn ergab.

Bitter | Meine erste bewusste Nachrichtenerfahrung verbinde ich mit einem traurigen Ereignis: den Anschlägen vom 11. September 2001. Auch wenn ich damals noch sehr jung war, erinnere ich mich an die Betroffenheit meiner Eltern und daran, dass plötzlich überall darüber gesprochen wurde. Mein Interesse am Journalismus wurde dann beim Girls’ Day geweckt, den ich damals beim WDR in Münster verbringen durfte. Dieser Tag war für mich ein Schlüsselmoment – danach stand fest: Ich will unbedingt etwas mit Medien machen. Genau solche Erlebnisse wünschen wir uns auch für Schülerinnen und Schüler bei unseren Newscamps: dass sie spüren, wie spannend und wichtig Journalismus ist, und vielleicht selbst Lust bekommen, diesen Weg einzuschlagen.

Vanessa Bitter leitet beim #UseTheNews-Projekt das Themenfeld „Junge Zielgruppen“ und beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie Jugendliche und junge Erwachsene heute Nachrichten nutzen – und wie man sie für Journalismus begeistern kann. Mit Studien, Bildungsangeboten und Projekten wie dem „Competence Center Young Audiences“ baut sie Brücken zwischen Medienhäusern und den Lebenswelten junger Menschen.

Katrin Bartilla ist Leitung Team Audience bei der SPIEGEL-Gruppe und entwickelt dort Strategien, um den Journalismus des SPIEGEL auch für junge Leserinnen und Leser attraktiv zu machen. Mit Initiativen wie kostenfreien SPIEGEL+-Zugängen für unter 30-Jährige oder Social-Media-Kampagnen erprobt sie, wie sich junge Zielgruppen langfristig an eine starke Medienmarke binden lassen.

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