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Medienpolitik, Pressefreiheit, Presseförderung, EU

„Die Frage der Pressefreiheit nicht den Monopolen überlassen“

Nachrichten Landesvertretung Nord Landesvertretung Südwest MVFP in den Medien Medienpolitik

Prof. Dr. Christoph Fiedler analysiert in seinem Gastbeitrag auf medienpolitik.net die medienpolitischen Herausforderungen und Perspektiven für die Presseverlage im Jahr 2024.

www.medienpolitik.net (Screenshot vom 19.01.2024)

Gastbeitrag von Prof. Dr. Christoph Fiedler, Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik MVFP Medienverband der freien Presse, Chairman Legal Affairs EMMA European Magazine Media Association, erschienen auf medienpolitk.net am 17. Januar 2024.

 

Zeitschriftenmedien und Politik 2024 – Die Herausforderungen nehmen noch weiter zu

Aufgabe der Zeitschriftenmedien ist auch 2024 die vertiefte und nachhaltige Information und Bildung zu allen privaten, beruflichen und politischen Themen. Diese Leistung ist für Demokratie, Kultur und Wirtschaft ebenso einmalig und unersetzbar wie die Leistung der Tagespresse. Während die Tagespresse allgemeinverständlich über alles berichtet, was das Schlaglicht der Tagesaktualität erfasst, berichten die Zeitschriften vertieft und nachhaltig über alle Themen, die Menschen beruflich oder privat interessieren. Zugleich bringen nur die Zeitschriften­redaktionen all diejenigen aktuellen Nachrichten aus ihrem Berichtsbereich, die die Schwelle zum Interesse des allgemeinen Publikums nicht überwinden. Erst gemeinsam machen Zeitschriften und Zeitungen die freie Presse aus, die Existenzbedingung jeder freiheitlichen Demokratie ist.

Die Erfüllung dieser Aufgabe wird für die Presse insgesamt, Zeitschriften wie Zeitungen, immer schwieriger. Das Fachmagazin Horizont sprach sogar von einem „schrecklichen Jahr“ für die Presseverlage (14.12.23). Tatsächlich belasten wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen unter Einschluss willkürlicher Vorgaben digitaler Plattformmonopole die Finanzierbarkeit der Redaktionen und Publikationen in besorgniserregendem Ausmaß.

Was ist zu tun, wenn professionelle Zeitschriften- und Zeitungsredaktionen erhalten bleiben sollen, die in gedruckter Form, im offenen Internet und über die Plattformen eine freie, vielfältige und fundierte Information und Meinungsbildung ermöglichen?

Die Verlage ihrerseits sind pausenlos auf ihren Baustellen. Fast kann man sagen, dass es kaum Geschäftsbereiche gibt, die nicht Tag und Nacht Umbauten verlangen. Das Printgeschäft ist mit Einzelvertrieb und Abo einem beschleunigten Wandel ausgesetzt. Die zunehmend bedeutsamen Vertriebswege des offenen und des Plattforminternets mit ihren differenzierten Anforderungen an stationäre und mobile Endgeräte existieren überhaupt nur in permanenter Veränderung. Künstliche Intelligenz kommt als kaum berechenbare Herausforderung hinzu.

Will die Politik die öffentliche Meinungsbildung nicht vollständig den Digitalmonopolen und staatsfinanzierten Medien ausliefern, ist sie gut beraten, publizistisch und ökonomisch tragfähige Rahmenbedingungen für gedruckte wie digitale Presse zur Chefsache zu machen. Dabei muss nochmals betont werden, dass die Vielzahl der unabdingbaren Vertriebswege auch die Politik vor die Aufgabe stellt, die publizistische und ökonomische Pressefreiheit auf allen Wegen systematisch sicherzustellen. Also für die gedruckte wie für die digitale Presse, im Handel, im Abo und bei der Zustellung, im World Wide Web und auf den diversen Torwächterplattformen.

Diskriminierungsfreie Presseförderung für Zeitschriften und Zeitungen
Mit gutem Grund hat sich die Koalition im Bund Ende 2021 verpflichtet, die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presserzeugnissen, also mit Zeitschriften und Zeitungen, zu gewährleisten. Dennoch ist im vorletzten Jahr der Legislatur immer noch keine Förderung beschlossen. Es fällt schwer, das nicht als besorgniserregendes Defizit zu begreifen. Ohne eine diskriminierungsfreie Förderung von Zeitschriften und Zeitungen werden immer mehr Zeitschriftentitel ihr Erscheinen einstellen und dann überhaupt nicht mehr zugestellt werden. Und immer mehr Zeitungen werden in immer mehr Landesteilen nicht mehr ausgeliefert werden.

Umso wichtiger ist es, dass es doch noch zu einer ordnungspolitisch überzeugenden Hilfe kommt. Im Dezember 2023 brachte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien eine weitere Absenkung der reduzierten Mehrwertsteuer für Presseprodukte ins Spiel. Ganz unabhängig von dem Verhältnis zu der bislang vor allem diskutierten Zustellförderung wäre eine solche Mehrwertsteuerermäßigung für Zeitschriften und Zeitungen jedenfalls ordnungspolitisch unbedenklich. Der Verteilungsmaßstab ist inhaltsneutral und die wiederholte politische Mittelzuweisung entfällt. Zudem kann die Maßnahme ohne aufwändiges Verteilkonzept, ohne zusätzliche Bürokratie und ohne Genehmigung der EU kurzfristig eingeführt werden. Schließlich wäre sie mit der Erfassung des digitalen Vertriebs auch eine unmittelbare Digitalisierungsförderung.

Publizistische und ökonomische Pressefreiheit im Plattforminternet
Die Etablierung publizistischer und ökonomischer Pressefreiheit im Plattforminternet ist eine zentrale Aufgabe für jede Gesellschaft, die frei bleiben will. Brüsseler wie Berliner Politik, aber auch die für das nationale Medienrecht zuständigen Länder müssen hier noch mehr Anstrengungen unternehmen.

Denn der Anteil der Pressedistribution über Digitalmonopole wie Suche, soziale Netzwerke oder App-Stores steigt kontinuierlich. Insbesondere jüngere Leser scheinen Presseangebote vor allem oder sogar ausschließlich über die Vermittlung von Plattformen wie bspw. TikTok, Instagram, Facebook, X, Discover oder weitere Android- oder iOS-Apps zu konsumieren. Und noch zu selten wird erkannt, dass der Pressevertrieb in diesem Plattforminternet weder publizistisch noch ökonomisch diskriminierungsfreien und fairen Bedingungen folgt, die den klassischen Vertrieb im Großen und Ganzen prägen und die Bedingung jeder freien Presse sind.

Es ist eine Realität der Plattformökonomie, dass Torwächterplattformen willkürlich über die Sichtbarkeit und die Finanzierungschancen von Presseangeboten entscheiden. Sie sind damit von Natur aus das Gegenteil von Garanten der Pressefreiheit. Hier fehlt der Politik zuweilen der klare Blick. Es gibt keinen Grund für eine mächtige Plattform, sich auf die diskriminierungsfreie und faire Verbreitung aller Presseangebote zu beschränken. Zu groß ist der Anreiz, im Interesse der Gewinnoptimierung die Plattformmacht für die willkürliche Gestaltung des jeweiligen Pressevertriebs zu nutzen. Die Bevorzugung eigener Angebote oder willfähriger Kooperationspartner, generell unfaire Zugangsbedingungen und Entgelte sind übliche und – bis zu den von der Politik gesetzten Grenzen – im Gewinninteresse legale Maßnahmen.

Wir dürfen aber die Frage der Pressefreiheit nicht den Monopolen überlassen. Gesetzgeber und Behörden müssen für meinungsrelevante Plattformen mit Medienvertrieb sicherstellen, dass alle Publikationen diskriminierungsfreien Zugang zum Leser bekommen und faire Finanzierungschancen haben. Berlin und Brüssel haben mit § 19a GWB und dem Digital Markets Act (DMA) Instrumente geschaffen, die in die richtige Richtung weisen. Ob aber die zuständigen Behörden diesen Weg auch mit hinreichenden Ressourcen und ausreichender Zielstrebigkeit gehen, ist keinesfalls entschieden. Die Digitalplattformen legen dicke Steine in den Weg, die für ressourcenarme oder unmotivierte Beamten leicht zu viele und auch zu schwer werden können.

Vergütung für die Verwertung von Presseinhalten durch Digitalmonopole
So lässt eine faire und diskriminierungsfreie Vergütung aller Presseverleger für die Verwertung des Presseverlegerrechts durch Torwächterplattformen in Deutschland weiterhin auf sich warten. Obwohl der Gesetzgeber mit § 19a GWB dem Bundeskartellamt erkennbar ein Instrument zur Verfügung gestellt hat, das unter anderem auch diese Vergütungsfrage adressiert, hat sich das Amt zu keinen relevanten Maßnahmen durchringen können. Ergebnis sind im Vergleich mit anderen Mitgliedsstaaten insgesamt offenbar geringe Entgelte, die zudem recht ungleich auf die Verlage verteilt werden.

Apple-ATT – Datenschutz als Machtmissbrauch im Eigeninteresse
Werbeeinnahmen sind unverzichtbar zur Finanzierung freier Presse, auch und gerade im Plattforminternet. Wenn nun ein App-Store alle Dritt-Apps von legaler Datenverarbeitung und damit von Werbeeinnahmen abschneidet und diese zugleich in eigene Werbeformen wie seine App-Shop-Suchwerbung umleitet, handelt es sich um eine offenkundige Selbstbegünstigung und unfaire Bedingung. Das Kartellamt hat auf die Beschwerde von Medien, Werbungtreibenden und Agenturen unter dem Dach des ZAW aus dem Jahr 2021 im Sommer 2022 ein Verfahren eingeleitet, das auf der Grundlage des § 19a GWB hoffentlich zu einem Vorgehen gegen Apple führen wird.

Abschaffung von 3rd-Party-Cookies durch Torwächterplattformen
Die Verwendung sog. 3rd-Party-Cookies ist eine legale Datenverarbeitung, die insbesondere für die Werbevermarktung bislang hohe Relevanz hat. Damit wird es „datenarmen“ Publishern wie Presseangeboten ermöglicht, digitale Werbung mit verbesserten Werbeprofilen anzubieten, um mit den „datenreichen“ Plattformen in begrenztem Umfang konkurrieren zu können. Die großen Plattformen ihrerseits können konkurrenzlos gute Interessenprofile zumeist schon aus dem Reichtum ihrer 1st-Party-Daten schöpfen, benötigen also die 3rd-Party-Daten selbst sehr viel weniger. Auch mit Hilfe der 3rd-Party-Technologie kommen die Publisher in der Regel nicht an die 1st-Party-Profiltiefe der Plattformen heran. Immerhin können sie aber ihre relative Datenarmut und den daraus resultierenden Wettbewerbsabstand etwas verkleinern. Wenn nun werbefinanzierte Torwächterplattformen wie Google diese legale 3rd-Party-Datenverarbeitung zwischen Publishern und ihren Nutzern verbieten, werden sie dies mit hoher Wahrscheinlichkeit so gestalten, dass sie danach selbst noch größere Umsätze machen, was nur auf Kosten des Wettbewerbs möglich ist. Bislang ist nicht erkennbar, dass einschlägige Eingaben der deutschen Werbeindustrie bei der EU-Kommission zu einer hinreichend intensiven Durchleuchtung dieser weiteren Selbstermächtigung von Monopolen auf Kosten der Konkurrenz geführt haben.

Willkürliche Steuerung von Reichweite und Monetarisierung
Ohne Verpflichtungen zu neutraler Verbreitung von Presse werden Monopolplattformen niemals den Anreizen widerstehen können, durch willkürliche Vermittlung über die Meinungsbildung und das publizistische wie ökonomische Schicksal von Publikationen zu entscheiden. Immerhin haben insbesondere die Bemühungen der deutschen Presseverleger seit 2008 dazu geführt, dass Monopole bspw. einen selbst zusammengestellten Kiosk oder eine willkürlich ausgewählte Partnerpublikation schon nach dem Missbrauchsverbot des allgemeinen Wettbewerbsrechts nicht bevorzugt verbreiten dürften. Zwar steht das letztinstanzliche EuGH-Urteil zu Google-Shopping noch aus. Und die gerichtliche Untersagung der Bevorzugung eines Gesundheitsportals durch Google ist schon in erster Instanz rechtskräftig geworden. Dennoch dürfte es für digitale Torwächter schon angesichts der weitergehenden Diskriminierungsverbote im Medienstaatsvertrag, im Digital Markets Act und in § 19a GWB keine Rückkehr zu solcher Willkür geben.

AGB-Zensur von Presse im Plattforminternet
Die Unterbindung der Verbreitung eines privaten Mediums ist das effektivste Mittel, um seine publizistische Wirkung und sein wirtschaftliches Überleben zu verhindern. Historische Zeugen dafür sind die polizeilichen Auflagenbeschlagnahmen inhaltlich missliebiger Zeitungsausgaben mit dem unhaltbaren Vorwurf strafbarer Artikel vor Einführung des Reichspressgesetzes 1874: Ohne Auslieferung keine Vertriebs- und keine Werbeeinnahmen. Und wenn dann der nachträgliche Prozess keine Strafbarkeit feststellen konnte, war doch die wirtschaftliche Sanktion schon eingetreten. Die europapolitische Ermächtigung der Torwächterplattformen zur Sperrung rechtmäßiger Artikel durch Digital Services Act und Media Freedom Act mag gut gemeint sein und hat bislang womöglich nur wenige sichtbare Folgen. Rechtlich läuft sie aber darauf hinaus, dass die Pressefreiheit, die alle gesetzmäßigen Inhalte schützt, im Plattforminternet bewusst negiert und den Digitalmonopolen ausgehändigt wird. Woher, so möchte man fragen, wissen die Unterstützer dieser amputierten Pressefreiheit so genau, dass sich diese Zensur nicht gegen sie selbst richten wird? Dass alle fraglichen Monopole praktisch jedem Regime bei seiner jeweiligen Interpretation von Desinformation und Hassrede zur Hand gehen, ist kein Geheimnis. Die EU sollte ihren Irrtum schleunigst korrigieren und Torwächterplattformen Eingriffe gegenüber legalen Publikationen aus inhaltlichen Gründen untersagen.

Künstliche Intelligenz: Roboterpresse und Menschenmedien
Das KI-Gesetz der EU (AI-Act) steht kurz vor dem Abschluss. Ob es bei der Überwachung und Regulierung von KI richtig liegt oder zum Nachteil Europas den Bogen überspannt, wollen wir hier nicht beurteilen. Dass es allerdings bei dem Mindestschutz menschlicher Kreativität gegenüber künstlicher Konkurrenz noch zu kurz springt, deutet sich an.

Künstliche Intelligenz kann kostenintensive menschengemachte Presse in Sekundenschnelle und zu Kosten nahe Null für perfekte Konkurrenzveröffentlichungen im Primärmarkt verwerten. Entweder in der Gestalt eines Robotermediums („the unhuman truth“) oder zur Befriedigung medialer Nachfrage auf einer der Monopolplattformen. Sollten Gesetze diese Ausbeutung gegen den Willen der Verlage gestatten, wäre menschengemachte Presse nach dem Willen der Politik nicht mehr finanzierbar. Deshalb müssen Verlage (wie alle Rechteinhaber) frei entscheiden können, ob KI ihre Inhalte verwerten darf oder nicht (Verfügungsrecht). Jedes Recht gegenüber KI läuft jedoch leer, wenn die Rechteinhaber nicht erfahren, welche Inhalte die KI verwertet. Die dafür nötigen Beweislastregeln, Transparenzregeln oder wenigstens Auskunftsrechte hätte schon das KI-Gesetz schaffen sollen. Soweit erkennbar, wird es eine Pflicht zur Erstellung einer Zusammenfassung der für Trainingszwecke verwerteten Inhalte geben. Das würde doppelt zu kurz greifen: Dokumentiert werden müssen alle verwendeten Inhalte, was technisch, organisatorisch und finanziell unproblematisch ist, ja schon im Eigeninteresse jeder verantwortungs- und qualitätsbewussten KI liegt. Und erfasst werden müssen alle Verwendungszwecke, insbesondere die Verwendung als Input bspw. für konkurrierende Inhalte, die ebenso spurenlos geschieht wie die Verwendung für Trainingszwecke.

Rechenschaft über die Inhalte, die KI wofür auch immer verwendet, ist keinerlei Beschränkung dessen, was man mit KI macht und wie man sie entwickelt oder verwendet. Es ist allein eine Auflistung des beliebig verarbeiteten Ausgangsmaterials. Unterbleibt eine solche Dokumentation, ist das der Freibrief für KI, jede menschliche Kreativität spurenlos auszubeuten. Das wäre eine fatale Weichenstellung für den Wettbewerb zwischen Mensch und Maschine und insbesondere für die freie Presse. Deshalb ist die Politik in Brüssel und Berlin in der Pflicht, allen Rechteinhabern einen einfachen lückenlosen Rechtenachweis zu ermöglichen. Darüber hinaus muss die EU – und Deutschland im Rahmen von Umsetzungsspielräumen – sobald als möglich ein robustes Verfügungsrecht und ein ergänzendes Vergütungsrecht sicherstellen.

Medienfreiheitsgesetz der EU
Informell steht der Text des sogenannten Medienfreiheitsgesetzes fest. Die formell noch nötigen Beschlüsse von Rat und EU-Parlament sollen bald folgen.

Das Gesetz bricht gleich mit drei Prinzipien der Pressefreiheit.

Es wird eine behördliche Aufsicht über die Presse etabliert, bei der auch noch die EU-Kommission mitreden wollte. Dass der Kommission dieser Einfluss in der ersten Version des Gesetzes weitgehend verweigert wird, ist gut, aber hält im Zweifel nur bis zur nächsten Revision. Gleiches gilt für den relativen Erfolg, der darin liegt, dass das europäische Medienboard zwar für die Presse zuständig ist, zunächst aber keine relevanten Befugnisse haben dürfte.

Verleger, jedenfalls wenn sie nicht in Personalunion Redakteure oder Herausgeber sind, dürfen nur noch über eine redaktionelle Leitlinie entscheiden, nicht mehr hingegen über konkrete redaktionelle Inhalte. Weiter haften sollen sie für diese Inhalte aber schon. Auch hier könnte sich der reale Schaden zunächst in Grenzen halten, weil die Verlage nur von ihnen für sinnvoll erachtete Maßnahmen ergreifen müssen, um die redaktionelle Unabhängigkeit zu gewährleisten. Und eine hoheitliche Durchsetzung dieses Verbots inhaltlicher Verlegerarbeit dürfte ebenfalls noch nicht vorgesehen sein. Allerdings bleibt es bei der grundsätzlichen Negation der Pressefreiheit als inhaltlicher Freiheit desjenigen, der es unternimmt, eine Publikation zu organisieren, zu finanzieren und eben auch nach Belieben inhaltlich zu gestalten. Und jede Revision dieser Vorschrift wird im Zweifel die hoheitliche Sozialisierung der freien Presse eher vorantreiben als rückgängig machen.

Und für das Plattforminternet wird die Zensur legaler Presseveröffentlichungen durch Google und Co. gesetzlich gebilligt und festgeschrieben (siehe schon oben „AGB-Zensur von Presse im Plattforminternet“). Pressefreiheit gibt es dann irgendwann nur noch für die gedruckte Presse.

Der Regelungsansatz, mit Blick auf Länder wie Polen oder Ungarn eine eingeschränkte Pressefreiheit über Europa zu erstrecken, ist falsch. Überall sollte Pressefreiheit herrschen, nicht Pressregulierung. Wie kann man auf die Idee kommen, in einem freien und demokratischen Europa Medienregulierung an weniger freiheitlichen Gesellschaften auszurichten? Aber selbst für diese Gesellschaften ist es der falsche Weg. Der Chefredakteur der polnischen Tageszeitung „Die Republik“, Boguslaw Chrabota, hat der EU-Kommission Anfang 2022 erklärt, man brauche politische Unterstützung, aber keine derartigen gesetzlichen Beschränkungen der Pressefreiheit. Er hat Recht behalten: Die PIS-Regierung ist abgewählt. Das Gesetz kommt trotzdem.

Sogar eine positive Regelung des Gesetzes greift zu kurz. Art. 4 des Medienfreiheitsgesetzes untersagt es den Mitgliedsstaaten, Journalisten auszuspionieren, sofern nicht eng begrenzte Ausnahmetatbestände vorliegen. Das ist gut, denn es verbessert den Schutz von Redaktionen in Teilen Europas, lässt aber einen möglichen besseren Schutz in anderen Teilen unangetastet. Schlecht ist jedoch, dass die EU-Institutionen nicht verpflichtet werden! Demokratisch gewählte Regierungen sollen die Presse nicht beeinflussen oder ausspionieren. Aber die EU-Kommission, die wohl mächtigste Superbehörde Europas, soll an diese Verbote nicht gebunden sein?

Verarbeitung personenbezogener Daten als Existenzbedingung freier Presse
Immer weiter verschärftes Datenschutzrecht hat zu einem Rechtsrahmen geführt, in dem digitale Presse nur noch mit einer Vielzahl von Einwilligungen jedes einzelnen Lesers betrieben, geschweige denn finanziert werden kann. Gestaltung und Auslieferung der redaktionellen Angebote, Schutz der Integrität und gegen Ad-Blocker, Reichweitenmessung, Werbefinanzierung, Leserwerbung und der Verkauf an digitale Leser sind typische Existenzbedingungen digitaler Presse, die inzwischen vielfach ohne konkrete Einwilligungen nicht möglich sind. Wenn die Politik so digitale Presseangebote weitgehend von komplexen Einwilligungen abhängig gemacht hat, muss sie im zweiten Schritt sicherstellen, dass

  1. die Verlage diese Einwilligungen praktisch einholen und verwalten können (Abfragerecht, kein Abfrageverbot), 
     
  2. dass erteilte Einwilligungen nicht einfach von Torwächtern ignoriert werden (Pflicht zur Umsetzung für Browser, persönliche Einwilligungsverwaltungstools etc.)
     
  3. und dass die Einwilligung in Datenverarbeitung zu legitimen Zwecken eine Bedingung für den Zugang zu Angeboten sein kann.

Diese Grundsätze müssen in Brüssel und Berlin bei jedem einschlägigen Rechtsvorhaben beachtet werden, und zwar unabhängig davon, ob es unter der Flagge des Datenschutzes, des Verbraucherschutzes oder der Digitalisierungsregulierung daherkommt.

ARD und ZDF
Öffentlich-rechtliche Online-Konkurrenz in Text und Bild, aber auch Audio und Bewegtbild, stellt ein wachsendes Problem für digitale Publikumsmedien dar. Denn mit der zunehmenden Verlagerung der Presse ins Internet werden digitale Vertriebs- und Werbeerlöse immer wichtiger, um die Redaktionen zu finanzieren. Und zunehmend müssen neben Artikeln auch Audio- und Videoformate angeboten und marktwirtschaftlich finanziert werden. Gleichzeitig streben ARD und ZDF immer stärker mit Abrufformaten aller Art ins Internet. Diese Tendenz wird durch den 3. Medienänderungsstaatsvertrag befördert, der sogar die vollständige Umwandlung linearer Spartenkanäle in reine Internet-Medien erlaubt. Dessen ungeachtet ist eine effektive Begrenzung öffentlich-rechtlicher Konkurrenz unverzichtbar. Wir setzen die marktwirtschaftlich finanzierte Presse und ihre unverzichtbare außenplurale Vielfalt aufs Spiel, wenn wir die ausufernden staatlich finanzierten und wettbewerbsverzerrenden öffentlich-rechtlichen Angebote nicht wirksam begrenzen. Ein erster Schritt könnte es sein, öffentlich-rechtliche Texte durchgängig quantitativ eng zu begrenzen. Auch eine organisatorische Straffung der Öffentlich-Rechtlichen wäre begrüßenswert, würde aber das Problem der kostenlosen öffentlich-rechtlichen Konkurrenzangebote allein nicht beheben.

Ermöglichung von Effizienzsteigerungen im Printgeschäft
Im unverändert zentralen Printgeschäft müssen Effizienzsteigerungen ermöglicht werden, schon, um die nötigen Digitalinvestitionen zu finanzieren. Das erfordert weitere Erleichterungen für Kooperationen. Kartellamt, Gesetzgeber und nötigenfalls die EU müssen erkennen, dass eine Vielfalt von Pressepublikationen die Vereinfachung der Möglichkeit wirtschaftlicher Zusammenarbeit zur Voraussetzung hat.

Sonstige Themen
Weitere Themen wie die Verteidigung medialer Werbefreiheit in Berlin und Brüssel, die 12. GWB-Novelle, Pläne zur Einführung der Gemeinnützigkeit von Journalismus, drohende weitere Einschränkungen der Vertragsfreiheit und die telefonische Abonnementwerbung seien hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur noch erwähnt. 

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