MVFP Distribution Summit: Kooperationen und KI sichern die Zukunft des Pressevertriebs
Zum Start des heutigen Distribution Summits des Medienverbands der freien Presse (MVFP) in Hamburg bezeichnete Michael Rathje, CFO der Spiegel Gruppe, die Reform des Grosso-Systems als „Blaupause für effiziente und zukunftsweisende Kooperationen“ im Mediengeschäft. In seiner Eröffnungskeynote stellte er den Status der Initiative vor, die als Verlagsallianz aus elf kleinen, mittleren und großen Verlagen gemeinsam mit vier Grosso-Firmen initiiert wurde. Ziel ist es, das Pressevertriebssystem langfristig abzusichern und trotz massiver Marktveränderungen die Versorgung der Bevölkerung mit gedruckten Presseprodukten zu gewährleisten. „Dabei setzen wir als Allianz auf eine enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Verlagen sowie auf die Einbindung von Marktteilnehmern im Presse-Grosso, bei den Nationalvertrieben, in den Verbänden und im Handel – flankiert durch eine kontinuierliche Abstimmung mit dem Bundeskartellamt.“
Vor rund 150 Pressevertriebsexpertinnen und -experten betonte Rathje die zunehmende Bedeutung kooperativer Modelle: „Nur mit einem kooperativen Vorgehen wird es unserer Branche gelingen, Synergiepotenziale künftig vielen Verlagspartnern zugänglich und diese damit auch wirtschaftlich resilienter zu machen.“ Die Initiative „Fit for Future“ diene dabei auch dazu, einen der zentralen Erlösposten der Publikumstitel in Höhe von 1,6 Milliarden Euro Vertriebsumsatz zu sichern.
Auch Malte Schwerdtfeger, Geschäftsführer des Landwirtschaftsverlags Münster und Sprecher der Geschäftsführung Deutsche Medien Manufaktur, betonte im Interview mit Kongressmoderator und pv digest-Herausgeber Markus Schöberl die Relevanz gemeinschaftlicher Ansätze. „Ich schätze es sehr, dass sich die Verlage der Herausforderung stellen, das Grosso-System neu zu denken, Brücken zu bauen und Vertrauen zu schaffen. Ein leistungsfähiges Pressevertriebssystem, das gerecht und stabil ist, ist unverzichtbar“, sagte Schwerdtfeger. „Es geht dabei nicht nur um die wirtschaftliche Basis unserer Branche, sondern auch darum, die Demokratie zu festigen und freie Marktzugänge für alle Verlage zu sichern – unabhängig von ihrer Größe. Was passiert, wenn nur wenige Akteure den Markt dominieren, sehen wir in England und Amerika. In Deutschland haben wir eine vielfältige mittelständische Verlagslandschaft, auf die wir stolz sein können. Der Pluralismus des Marktes muss unbedingt erhalten bleiben.“
Mit Blick auf erfolgreiche Verlagsstrategien hob Schwerdtfeger hervor, aus einer starken Basis heraus neue Geschäftsfelder aufzubauen. Zugleich müsse der direkte Kontakt zur Zielgruppe – ob über Produkte oder Veranstaltungen – noch konsequenter ausgebaut werden. „Verlage sind heute gefordert, mutig, innovativ und kreativ zu sein, um ihre Zielgruppen zu begeistern, die sie genau kennen müssen“, unterstrich Schwerdtfeger. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft liege darin, auf ein stabiles Fundament – den Printmarkt – zu setzen und zugleich Innovationsfreude, Diversifikation und Investitionen in digitale Geschäftsfelder wie digitale Dienstleistungen voranzutreiben.
Marktzahlen belegen Relevanz der Zeitschriften
Wie stark die Produkte der Zeitschriftenbranche im Alltag verankert sind, zeigen aktuelle Zahlen: Fast 80 Prozent der Deutschen lesen regelmäßig Zeitschriften, selbst beim jüngeren Publikum liegt der Anteil bei 59 Prozent für die 14- bis 19-Jährigen. Jährlich werden rund 900 Millionen Publikumszeitschriften verkauft – im Durchschnitt elf Hefte pro Kopf laut den aktuellen Branchendaten des MVFP.
Zeitschriften sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den deutschen Einzelhandel. Etwa die Hälfte der jährlich verkauften Publikumsmedien wird über den Einzelverkauf am Kiosk, in den Filialen des Lebensmittelhandels, an Bahnhöfen oder Flughäfen abgesetzt. Die andere Hälfte teilt sich auf das Abonnement (40 Prozent) sowie zu gleichen Teilen auf Sonderverkäufe und den Lesezirkel auf. Insgesamt erwirtschaften die Publikumszeitschriften rund 1,6 Mrd. Euro Umsatz mit den Erlösen aus dem Einzelverkauf und dem Abonnement-Geschäft.
Lutz Drüge, Geschäftsführer der Fachvertretung Die Publikumsmedien im MVFP: „Die Print- und Digitalangebote der Zeitschriftenverlage erreichen insgesamt betrachtet mit jeder Ausgabe mehr als 5,5 Millionen Leserinnen und Leser. Dabei ist die Nutzung digitaler Informations- und Unterhaltungsangebote der Publikumstitel in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich gestiegen.“
KI als Umsatz- und Qualitätstreiber im Vertriebsgeschäft
Ein Schwerpunkt der Konferenz liegt auf der Rolle von künstlicher Intelligenz im Medienvertrieb. „Was nützen uns die besten Technologien und Assistenzsysteme, wenn keiner weiß, was er damit anfangen soll?“, fragte ChristianBredlow, geschäftsführender Lotse bei Digital Mindset GmbH, in seinem Impulsvortrag mit Blick auf die Rolle von KI als Gamechanger im Berufsalltag. Für ihn ist klar: „Digitalisierung ist keine Frage der Technologie, es bedeutet viel mehr eine veränderte Geisteshaltung.“
Wie Metadaten und KI den Arbeitsalltag in Verlagen effizienter machen, zeigte Alan Centofante, CEO und Gründer von Cover Rocket: Bessere und vor allem schnellere Entscheidungen können getroffen, Arbeitsabläufe optimiert und die Produktivität sowie die Vertriebsumsätze gesteigert werden. Gleichwohl müsse menschliches redaktionelles Urteilsvermögen zentral bleiben und kann nicht ersetzt werden, betonte Centofante. Tanja Bertram, Head of B2C Marketing bei Madsack Market Solutions, präsentierte die Fortschritte im Kundenservice und Telesales, die durch das KI-Analyse-Tool „QNova“ erzielt wurden und gab Einblicke in die Learnings während der Einführungsphase. Ihr Fazit: KI-basierte Spracherkennungssysteme und Sprachanalysen sind effiziente Mittel zur Qualitätsverbesserung im Kundendialog. „Wer Kunden durch hohe Qualität im Service begeistert, gewinnt langfristig. Zufriedene Kunden sind eine wichtige Basis für den Erfolg“, fasste Bertram zusammen.
Am Nachmittag des MVFP Distribution Summit rücken neue Ansätze zur Leser- und Abo-Gewinnung in den Fokus. Vanessa Bitter (#UseTheNews) spricht über Strategien zur Ansprache junger Zielgruppen, Lennart Schneider (Subscribe Now) stellt innovative Onboarding-Modelle für das Abo-Marketing vor, und Hendrik Schmalz (Bardohn GmbH) präsentiert Erkenntnisse aus der MVFP Churn-Benchmark-Untersuchung. Erik Markert (pd digital Hub GmbH) zeigt, wie Paid Content mit einem neuen Plus-Angebot belebt werden kann, während Bea Knecht (Zattoo) erklärt, wie KI-gestützte Verhaltensdaten den Vertrieb neu definieren. Zum Abschluss des Fachkongresses gibt Volker Wiem (Edeka Niemerszein) Einblicke in die Rolle des Pressesortiments am Point of Sale.




