Gemeinsam gegen den Widerstand von Big Tech
MVFP impuls |Warum dauert die Durchsetzung des Presseleistungsschutzrechts (PLSR) so lange?
Dr. Christine Jury-Fischer | Die Durchsetzung stößt auf den zähen Widerstand der mächtigsten Unternehmen der Welt. Diese Unternehmen nutzen ihre Marktmacht und nehmen Verstöße gegen das Kartell- und Medienrecht in Kauf. Und sie nutzen gezielt die gravierende Informationsasymmetrie für die Durchsetzung der eigenen Ziele aus, was uns die Rechtsdurchsetzung außerordentlich erschwert. Da wir keinen Zugang zu den Systemen bzw. Rohdaten von Google haben, müssen wir den tatsächlichen Wert der Presseinhalte für Google anders nachweisen – wie mit der unlängst veröffentlichten Studie.
Außerdem hat der europäische Gesetzgeber das Recht nicht hinreichend robust ausgestaltet. Hätte er eine VG-Pflicht vorgesehen, hätten wir schon lange einen funktionierenden Markt für Presseinhalte. Die Schweiz hat aus diesen Problemen bei der Rechtsdurchsetzung gelernt und sieht bei der Einführung des PLSR eine verpflichtende Wahrnehmung der Rechte durch eine Verwertungsgesellschaft vor.
Warum sind die Verfahren noch relevant, wenn jetzt alle Welt von KI spricht?
Einerseits geht es um die Klärung der Frage, welche angemessene Vergütung für Nutzungen seit dem Inkrafttreten des PLSR im Juni 2021 fällig ist. Das ist nicht trivial. Andererseits wirkt sich die Festlegung eines solchen Preises auch auf die KI-Nutzung aus. Die Vergütung auf Basis des PLSR hat somit auch Signalwirkung für Nutzungen im KI-Bereich.
Was betrachten Sie als größte Hürde für die Durchsetzung des Rechts?
Abgesehen von dem Erfordernis, das Recht noch deutlich „resilienter“ gegen den Widerstand von Big Tech auszugestalten, ist es die enorme Marktmacht der Plattformen, die sie gegen die Verlage ausspielen. So wurden die GNS- und ENP-Verträge mit der durchsichtigen Absicht, die Vergütung der Verleger auf Basis des PLSR möglichst niedrig zu halten, ausgerollt. Die Verleger haben sich auf die vertraglich zugesicherten Zahlungen verlassen, genauso wie auf den Traffic, den z. B. Google vermittelt hat. Heute wissen wir, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Denn Google wird die Zahlungen unter GNS-Verträgen voraussichtlich reduzieren oder einstellen. Zudem fällt durch KI-generierte Inhalte der Plattformen der Traffic dramatisch. Ein Beispiel: In den USA ist der Traffic bei ausgewählten Verlagen im April laut einer Veröffentlichung von Bloomberg um über 70 Prozent zurückgegangen.
Was würde bei der Durchsetzung am meisten helfen?
Ein Zusammenstehen der Verleger ist wichtig. In Dänemark und den Niederlanden haben selbst die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Rechte in Verwertungsgesellschaften eingebracht. So gebündelt entsteht eine echte Verhandlungsmacht, der sich selbst Google nicht entziehen kann. Zugleich muss die Durchsetzung der Rechte der Inhalteindustrie wegen der massiven Nutzung durch die KI dringend auf eine solide Grundlage gestellt werden. Es ist gut, dass diese Einsicht auch in der Politik zunehmend Anhänger findet.
Dr. Christine Jury-Fischer ist seit Mai 2023 Geschäftsführerin der Verwertungsgesellschaft Corint Media. Zuvor leitete sie rund zehn Jahre deren Rechtsabteilung. Die erfahrene Juristin war als Anwältin in internationalen Sozietäten und bei ProSiebenSat.1 tätig.
