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DNV – Der Neue Vertrieb, Pressehandel, Paid Content, DMA, Digital Markets Act, DSA Digital Services Act

DNV-Gastbeitrag von Stephan Scherzer: Vertrauensanker in stürmischen Zeiten

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Die Zeitschriftenverlage haben die Herausforderungen der Coronapandemie gemeistert, so Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). In der nächsten Zukunft aber drohten den Verlegern steigender Kostendruck und staatliche Fehlregulierung | erschienen in DNV – Der Neue Vertrieb, Dezember 2021

Aktuell zieht ein perfekter Sturm auf: Die Papierpreise explodieren, die Zustellkosten sind auf einem Höchststand, die Überlastung der Lieferketten, der Rohstoffmangel und die enormen Energiepreise sowie die  Kosten der digitalen Transformation treffen nicht nur auf eine nie dagewesene Dominanz digitaler Monopolplattformen, sondern gleichzeitig auf eine Politik in Berlin und vor allem in Brüssel, die durch staatliche Planung, Dirigismus und Verbote aktuell auf zu vielen Feldern unternehmerische Freiheiten und notwendige Freiräume verdrängt. Wenn die neue Bundesregierung die Bedrohungen für unsere Freiheit und Demokratie nicht ernst nimmt, sondern den Staat als alternativlosen Lenker ansieht und dieses Verständnis auch auf die freie, unabhängige Presse überträgt, dann wird es brandgefährlich und der Sturm wird enorme, irreparable Schäden anrichten.

Rahmenbedingungen sind entscheidend

Und trotz alledem: Seit Beginn der Pandemie haben die Zeitschriftenverlage die gewaltigen Herausforderungen beeindruckend gemeistert und gezeigt, dass sie Krise und Wettbewerb können. Unternehmerische Flexibilität, Einsatz der Beschäftigten, Innovationskraft und die fortschreitende digitale Transformation der vergangenen Jahre waren dafür die entscheidende Basis. Die hohe Nachfrage von Leserinnen und Lesern nach gedruckter und digitaler Presse spielt dabei die zentrale Rolle – die Menschen wollen beruflich wie privat verlässlich informiert werden. Sie suchen nach Vertrauensankern in stürmischen Zeiten. Deshalb braucht eine moderne, demokratische Wissensgesellschaft eine freie, staatsunabhängige Zeitschriften- und Zeitungspresse. Ohne belastbare ökonomische und publizistische Rahmenbedingungen, die einen fairen Wettbewerb, eine Finanzierung der Redaktionen und eine diskriminierungsfreie Distribution auf allen Verbreitungswegen ermöglichen, geht es nicht. Zur Marktdominanz der globalen Megaplattformen, die deutlich über 70 Prozent der Digitalerlöse bei weiter steigender Tendenz abschöpfen und die sich, wie an den jüngsten Datenskandalen deutlich zu sehen ist, wenig beeindrucken lassen, trug auch die unentschlossene Haltung und Politik der Bundesregierung in Brüssel bei. Die drohende Fehlregulierung durch die E-Privacy-Verordnung und beim Digital Markets Act (DMA) – hier droht die gerade erst erstrittene Regelung im GWB wieder gekippt zur werden – gefährdet die Grundlagen der Monetarisierung von digitalen Verlagsangeboten. Es ist ein Skandal, dass aktuell ein Szenario droht, in dem die Torwächterplattformen entscheiden, welche Pressepublikationen sichtbar sind und welche nicht. Im Presse-Grosso stellt der diskriminierungsfreie Zugang die Vielfalt und Auswahl für die Leserinnen und Leser sicher, im Digitalen muss der diskriminierungsfreie Zugang legaler Presseprodukte ebenfalls garantiert sein. Die neue Bundesregierung und der Gesetzgeber müssen für die Presseverlage ein Belastungsmoratorium durchsetzen und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass in Brüssel beim DMA und DSA (Digital Services Act) keine fatalen Weichenstellungen erfolgen.

Digitalmonopolisten müssen reguliert werden

Die Politik ist gefordert, wenn vorhandene Regeln und Mechanismen für die Zukunft angepasst werden müssen, weil der faire Wettbewerb ausgeschaltet ist. Google Alphabet hat 2020 gut 40 Milliarden US-Dollar Gewinn gemacht, Facebook knapp 30 Milliarden, Apple erzielte bei 274 Milliarden Umsatz ein Nettoergebnis von gut 57 Milliarden Dollar. Marktdominanz gekoppelt mit einer globalen Plattformstrategie sowie einem von der Regulierung kaum tangierten Steuer- und Wettbewerbsverhalten führen zu derartigen Monopolgewinnen. Demgegenüber stehen die knapp 20 Milliarden Euro Branchenumsatz der deutschen Zeitschriftenbranche im VDZ mit über 400 mittelständisch geprägten Verlagen. Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Werbebudgets ist in der Medienbranche hart. Wenn hier die Politik in der Steuergesetzgebung, bei Bürokratie- und Datenschutzvorgaben, im Kartell- und Wettbewerbsrecht die erdrückende Fesselung nicht auflöst, gleichzeitig die Gefahr in Brüssel droht, dass sich die Bedingungen für die freie Presse im DMA und im DSA weiter verschlechtern, dann wird ein demokratiegefährdender Weg beschritten. Unter diesem Blickwinkel ist die gezielte Verhinderung explodierender Kosten für die Zustellung von Zeitschriften und Zeitungen kein Festhalten an überkommenen Strukturen, sondern eine wirtschaftliche Voraussetzung für das Gelingen der digitalen Transformation. Eine staatliche Finanzierung bestimmter Publikationen ist keine Alternative. Niemals darf der Staat selbst zum Verleger werden. Staatliche Medien sind das Gegenteil freier Meinungsbildung und verzerren den privaten Meinungsmarkt. Deshalb ist es wichtig, dass eine diskriminierungsfreie Förderung aller periodischen Presseerzeugnisse evaluiert werden soll – und wenigstens keine Spaltung der Presse in Erwägung gezogen wird.

2022 wird das Jahr weiterer Kooperationen

Lesererlöse – im Abo, am Kiosk, Paid Content Online oder auch die Teilnahme an Konferenzen – sind die wichtigste Erlösquelle; heute und auch in Zukunft. Ohne stabile Vertriebserlöse können redaktionelle Inhalte der Zeitschriftenmedien bei unveränderter Qualität nicht auskömmlich finanziert werden. Die enge Bindung zwischen Leserinnen und Lesern und ihren Zeitschriftenmarken bestätigt auch die neueste Käufermarktforschung für die VDZ-Kampagne „Presse verkauft“. Danach sind Zeitschriften für den lokalen Handel eines der wichtigsten Käuferbindungssortimente. Fast jeder zweite Pressekäufer kauft bevorzugt Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs dort, wo er auch die von ihm präferierten Zeitschriften und Zeitungen findet.

Paid Content marschiert weiter voran

Es gibt immer mehr gut funktionierende digitale Paid-Content-Angebote der Pressemedien. Leserinnen und Leser vertrauen den bekannten Marken und Redaktionen. Häufig werden beide Angebote genutzt. Ein starkes Medium, um die Verweildauer und damit die Bindung der Zielgruppe zu erhöhen, bieten auch moderne Audioformate. Regelmäßige Podcasts mit vertrauten Stimmen bauen langfristige Bindungen auf. Gerade in jungen Zielgruppen – die praktisch immer mit Knopf im Ohr unterwegs sind – sind Audioformate beliebt und eine große Chance. Darüber hinaus wird 2022 das Jahr weiterer Kooperation – im Vertrieb, in der Vermarktung und im Einsatz von Technik und Plattformen. Die Möglichkeiten, noch enger zusammen zu arbeiten, sind im GWB belastbar ausgestaltet. In der Vergangenheit schadete die fehlende Plattformfähigkeit den Verlagen beim Ausbau der digitalen Wirksamkeit der Marken am meisten. Das ändert sich immer mehr durch Kooperationen und Zusammenarbeit. Der redaktionelle Inhalt hat schon immer den Unterschied im Lesermarkt gemacht, und nicht die Druckmaschine, auf der gedruckt wurde, oder das Content-Management-System. Gemeinsame Paid-Content- und Abonnement-Optimierung sowie Vermarktungsansätze, die auf gemeinsame Plattformstrategien setzen, sind im Digitalen die Themen für das kommende Jahr. Leserinnen und Leser sind der Boss.

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