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Was das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für Verlage bedeutet

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Dr. Holger Holger Weimann erklärt in der aktuellen PRINT&more-Ausgabe, welchen Beitrag Zeitschriftenverlage ab 2025 zur Barrierefreiheit leisten müssen.

Am 28. Juni 2025 soll die Welt für Menschen mit Behinderungen zugänglicher werden: Dann tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Auf die Zeitschriftenverlage kommen deshalb Veränderungen zu: Webseiten müssen angepasst werden.

Das BFSG soll eine inklusive Gesellschaft schaen, in der Menschen mit Behinderungen leichter an alltäglichen Besorgungen teilhaben können als bisher. Das reicht vom Fahrkartenkauf am Automaten oder im Internet über die Lektüre von E-Books bis zu Bestellvorgängen beim Online-Shopping. Barrierefrei sind diese Leistungen, wenn auch Menschen mit Behinderung sie ohne fremde Hilfe finden und nutzen können. Das geht in vielen Fällen nur dadurch, dass Informationen mit mindestens zwei Sinnen – infrage kommen vor allem Sehen, Hören, Tasten – wahrnehmbar gemacht werden.

Für Verlage ist die wichtigste Frage deshalb: Müssen ab Juni 2025 auch Inhalte von E-Paper-Ausgaben, Webseiten oder Apps hörbar gemacht werden oder in Braille-Schrift darstellbar sein? Im Buchbereich ist das klar geregelt. Buchverlage sind durch das BFSG und eine begleitende Rechtsverordnung verpflichtet, ihre E-Books hörbar zu machen; Hersteller von E-Book-Readern müssen die Geräte mit einer Sprachausgabe ausstatten.

Wie verhält es sich also mit E-Paper-Ausgaben von Zeitschriften, verlangt der Gesetzgeber auch hier Barrierefreiheit? Die Antwort lautet: Nein. Der Begriff des E-Books ist nach der Gesetzesbegründung ausschließlich auf die „elektronische Fassung“ eines Buches« beschränkt und umfasst deshalb nicht auch E-Paper-Ausgaben anderer Druckwerke. Auch der Medienstaatsvertrag, der auf journalistische Online-Angebote anwendbar ist, enthält eine Regelung zur Barrierefreiheit nur mit Bezug zum Fernsehen.

Damit bleibt es derzeit den Verlagen selbst überlassen, ob sie ihre redaktionellen Texte auch hörbar machen. Diese Entscheidungsfreiheit ist aus verlegerischer Sicht zu begrüßen. Denn für das Urheberrecht macht es einen Unterschied, ob ein Text in Buchstabenform wiedergegeben oder ob er hörbar gemacht wird. Man wird hier im Einzelfall überlegen müssen, ob der jeweilige Vertrag mit dem Autor es erlaubt, einen Text vorzulesen. Auch für die Frage, ob solche Rechte überhaupt erforderlich sind, kommt es auf den Einzelfall an. Wenn beispielsweise der Nutzer die Vorlesefunktion in seinem Internetbrowser nutzt, dann liegt darin keine Verwertung durch den Verlag. Anders ist es, wenn der Verlag Audiodateien seiner Texte selbst zur Verfügung stellt, in diesem Fall verwertet er selbst und benötigt eine entsprechende Rechtseinräumung.

Ganz ohne Auswirkung ist das BFSG für Zeitschriftenverlage trotzdem nicht. Denn zu den vom Gesetz erfassten Leistungen gehört auch der gesamte Online-Handel. Wenn ein Verlag Abonnements, E-Paper-Ausgaben oder einzelne Beiträge online verkauft, dann fällt er also in seiner Funktion als Online-Händler in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassene Rechtsverordnung fordert, dass Anbieter Informationen zur Barrierefreiheit bereitstellen. Verlage müssen also darüber informieren, ob die angebotenen Inhalte ihrerseits barrierefrei sind. Zu denken ist beispielsweise an eine Information darüber, ob E-Paper-Ausgaben technisch mit E-Readern und deren Vorlesefunktionalität kompatibel sind; auch über die fehlende Barrierefreiheit wird man informieren müssen. Einzelfragen sind noch ungeklärt,
beispielsweise ob der Verlag auch über die Selbstverständlichkeit informieren muss, dass eine gedruckte Zeitschrift nicht barrierefrei ist.

Auch die Kaufabwicklung muss der Verlag ohne Barriere ermöglichen. Das beginnt beim Log-in registrierter User und reicht bis zur Zahlungsabwicklung. All diese Schritte müssen »wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust ausgestaltet werden, damit Menschen mit Behinderungen sie nutzen können«, wie es im Verordnungstext heißt. Was genau das bedeutet, kann man aktuell schon deshalb nicht sagen, weil der Stand der Technik im Sommer 2025 dafür entscheidend sein wird. Und den kann aktuell bei der rasanten Entwicklung von Techniken im Internet niemand vorhersehen.

Fest steht jedenfalls schon jetzt, dass einige Bestandteile von Websites neu gestaltet werden müssen. Das bleibt nicht ohne Auswirkung auf den Rest der Online-Präsenz. Es ist deshalb naheliegend, sich rechtzeitig mit einer einheitlichen technischen und optischen Anpassung der eigenen Webseite zu befassen. Das kann unterschiedliche Gestaltungsmerkmale wie Schriftgrößen, Zeilenabstände, Farben und Kontraste genauso umfassen wie die Zugänglichkeit für assistive Technologien wie eine Vorlesefunktion.

Dr. Holger Weimann ist Rechtsanwalt und Partner bei ADVANT Beiten.

 

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