Von AISSIST bis Liquid Content: Future Media Now diskutiert digitale Innovationen für Presseverlage
Auf der heutigen MVFP Future Media Now, der Zukunftskonferenz des Medienverbands der freien Presse (MVFP), diskutieren Digitalexpertinnen und -experten, Strategieverantwortliche und Innovationstreiber über die Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation und den Einsatz von KI in Medienhäusern. Rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Branche nehmen vor Ort in den Design Offices Berlin Humboldthafen sowie im Livestream teil.
Rebecca Gottwald, COO des BurdaVerlags, eröffnete die Konferenz mit einer Keynote zur KI-Strategie des Unternehmens. Der BurdaVerlag nutzt seit über zwei Jahren die unternehmenseigene KI-Plattform AISSIST, die unter anderem Funktionen wie Text- und Bildgenerierung, Transkription und Übersetzung bietet: „Wir haben uns beim Aufkommen von ChatGPT schnell damit auseinandergesetzt, wie wir eine konnektive Plattform für unsere Prozesse entwickeln können. Mit AISSIST haben wir einen niederschwelligen Zugang zu KI-Funktionen geschaffen, der tief in unsere Produktionsumgebung integriert ist.“ Der Fokus liege dabei immer auf dem Business Impact für die jeweiligen Units, betonte Gottwald. „KI lässt uns mutiger werden.“
Im anschließenden Interview gab Ludwig Siegele, Senior Editor für KI-Initiativen bei „The Economist“, einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und erläuterte die Auswirkungen von KI-Technologien: „Unsere 300 Journalistinnen und Journalisten haben Zugang zu unterschiedlichen KI-Modellen und probieren viel aus. Die ‚Machine in the middle’ ist aus unserer Sicht ein Zukunftsmodell zwischen der Redaktion und der Audience.“ Die Entstehung einer umfassenden künstlichen Intelligenz (AGI) schloss Siegele nicht aus.
Neue Wege der Erstellung und Verbreitung von Inhalten
Im Veranstaltungsteil „Future of Content“ erläuterte Christoph Zimmer, Leiter Produkt & Vertrieb der SPIEGEL-Gruppe und Geschäftsführer von 11FREUNDE, wie der KI-Einsatz nicht nur die Erstellung von Inhalten, sondern auch den Medienkonsum beeinflusst. „Die große Veränderung ist nicht der Einsatz von KI als redaktionelles Werkzeug, sondern der Medienkonsum in neuen Interfaces. Liquid Content ist das Stichwort“, unterstrich Zimmer. „Unsere Zielgruppen werden in Zukunft erwarten, dass sie Inhalte individuell nutzen können – sei es als Text, Audio oder Video. Darauf müssen wir uns als Branche einstellen. Der Konsum hängt von unserer Sichtbarkeit ab und damit auch von den großen technologischen Plattformen, mit denen wir in einen ständigen Dialog treten und bleiben müssen.“
Kassian Alexander Goukassian, CEO und Gründer der falkemedia Gruppe, beleuchtete innovative Ansätze zur internationalen Skalierung von Medienmarken: „Wir scripten beispielsweise die sprachlichen Inhalte unserer Videos – unter anderem Englisch, Polnisch oder Spanisch – für den jeweiligen Markt in deutscher Sprache und wandeln die Videos mithilfe von KI in die Zielsprache um. Dafür haben wir im Vorfeld eine jeweilige ‚Tone of Voice‘ entwickelt, die unsere Brand-Sprache in den jeweiligen Markt übersetzt. Parallel übersetzen wir bereits ganze Magazine datengetrieben per KI. Ähnlich funktioniert es mit Bildmaterial für unterschiedliche Ausgabekanäle.“
Peter Schink, Chefredakteur der Berliner Morgenpost, FUNKE Mediengruppe, verglich in seinem Vortrag die sprachlichen Fähigkeiten verschiedener großer Sprachmodelle (LLMs) und gab Praxistipps aus journalistischer Perspektive: „KI eignet sich hervorragend für die Ideenfindung, für Strukturierungen, für die Textarbeit. Aber: ChatGPT ist per se kein Faktenfinder.“ Die große neue Kunst sei „der richtige Prompt“, für die man die Rolle, Sprache, Ausgabemedium, Thema, Aktion, Tonalität, Länge, Zielgruppe in strukturierter Form konkret vorgeben sollte. „Die eigentliche Herausforderung ist letztlich, unsere Arbeitsweisen zu verändern“, resümierte Schink.
KI als Werkzeug für effizientere Arbeitsprozesse
Am Nachmittag stehen die Themen „Future with AI“ und „Future of Change“ im Mittelpunkt. Christian Bredlow, Geschäftsführender Lotse bei Digital Mindset, gibt einen Ausblick auf die Zukunft der Arbeitswelt mit KI. Janina Krieger von Springer Nature erläutert, wie KI bei Recherche und Texterstellung Barrieren abbaut und die wissenschaftliche Forschung beschleunigt. Im Themenblock „Future of Change“ erklärt Dirk von Gehlen vom SZ-Institut, warum eine neue Einstellung zur Transformation notwendig ist und warum Perfektionismus das größte Hindernis in Veränderungsprozessen darstellt. Eva-Maria Bauch, Geschäftsführerin der Mediengruppe Oberfranken, erläutert, warum Transformation keine Blaupause kennt und wie neue Technologien wie KI in verschiedenen Geschäftsbereichen eingesetzt werden können. Abschließend berichtet Kirsten Ludowig, stellvertretende Chefredakteurin des Handelsblatts, über ihre Erfahrungen mit dem permanenten Wandel in der Redaktion und dem Umgang mit KI.
Lutz Drüge, Geschäftsführer Die Publikumsmedien im MVFP, fasst zusammen: „Künstliche Intelligenz verändert unsere Branche und ihre Geschäftsmodelle rasant. Die Verlage sind mitten in der Transformation und KI wird sie dabei unterstützen, effizienter zu arbeiten. Dadurch werden Freiräume geschaffen, um sich stärker auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können. Die diesjährige MVFP Future Media Now bietet den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Plattform für intensiven Austausch und Einblicke in die Zukunft der Medienhäuser.“
Sophie Ronczka, Redakteurin & Co-Host des hy Podcast, moderiert die Konferenz, die im Livestream verfolgt werden kann.