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Publishers' Night, Goldene Victoria, Düzen Tekkal

Laudatio von Düzen Tekkal zur Verleihung der Goldenen Victoria für Pressefreiheit

Daphne Caruana Galizia Düzen Tekkal Nachrichten Ján Kuciak Publishers Night Publishers' Summit

 - es gilt das gesprochene Wort -

Düzen Tekkal laudatierte bei der Publishers' Night auf Daphne Caruana Galizia und Ján Kuciak (Foto: VDZ/Bildschön)

Ihre königliche Hoheit Rania al Abdullah,
verehrte Bundeskanzlerin,
sehr geehrter Herr Dr. Thiemann, sehr geehrter Herr Scherzer,
liebe Gäste,

ich gebe zu, ich bin heute mit einiger Nervosität zu Ihnen gekommen. Es ist das erste Mal, dass ich posthum eine Laudatio halten soll auf zwei Journalistenkollegen, die ihr Leben für die Pressefreiheit gegeben haben und damit für die Freiheit an sich. 

Man muss genauer sagen: Daphne Galizia und Jan Kuciak sind zu unfreiwilligen Märtyrern für die Pressefreiheit geworden. Sie haben sich dieses Schicksal nicht ausgesucht, sie haben sich dieses Heldentum nicht ausgesucht. Nein, sie wollten leben. Zusammen mit den Menschen, die sie liebten und von denen sie geliebt wurden.

Einige von ihnen sind heute stellvertretend bei uns, darunter die Schwester von Daphne Galizia, ihr Sohn Matthew sowie die Eltern von Jan Kuciak und sein Bruder. Ihnen allen ein besonderer Gruß: Haben Sie ganz herzlichen Dank, dass Sie heute bei uns sind! Haben Sie vielen Dank, dass Sie die Anreise auf sich genommen haben!

Ich habe Daphne Galizia und Jan Kuciak leider nicht persönlich gekannt. Aber uns eint etwas. Etwas, das alle eint, die sich dem Journalismus verschrieben haben. Der feste Wille, Wahrheiten auf den Grund zu gehen und sie beim Namen zu nennen. Der feste Glaube daran, dass Meinungs- und Pressefreiheit zu den wertvollsten Gütern gehören, die wir haben. Aber welcher Journalist denkt im gleichen Atemzug daran, dass ihn diese Leidenschaften sogar das Leben kosten können?

Bei der Vorbereitung für heute Abend bin ich gedanklich zurückgegangen. Ich habe überlegt, was mich angetrieben hat. Warum musste es ausgerechnet der Journalismus sein?

Ich bin Tochter kurdisch-jesidischer Flüchtlinge. Meine Eltern waren in dieses Land geflohen, um der Unfreiheit zu entfliehen und uns Kindern die Chance zu geben, Freiheit kennenzulernen und zu erfahren. Freiheit – ein großes Wort. Aber auch eines, das vielen leicht und locker über die Lippen geht. Vielen scheint Freiheit eine Selbstverständlichkeit zu sein. Nicht so für mich. Meine Eltern haben mir den Wert der Freiheit und das Bewusstsein dafür, dass Freiheit verteidigt und auch erarbeitet werden muss, mit auf meinen Lebensweg gegeben.

Ich habe Freiheit in Deutschland geschenkt bekommen. Und dieses Geschenk wollte ich auf besondere Weise zurückgeben, indem ich Journalistin werde und meinen Teil zum Kampf für die Freiheit beitragen kann. Auf die Probe gestellt wurde ich auch recht schnell, und zwar bei meinem Einsatz im Zusammenhang mit dem Völkermord an meinen eigenen Leuten. Ich wurde zur unfreiwilligen Chronistin.

Und zum ersten Mal spürte ich, dass Journalismus kein normaler Beruf ist, bei dem man morgens aufsteht, ins Büro geht, ein paar Sätze schreibt und abends zu Bett geht. Nein, der Beruf des Journalisten kann lebensgefährlich sein. Und das Bedrückende: Diese Gefahr lauert eben nicht nur in Kriegs- und Krisengebieten, nein diese Gefahr lauert auch hier in Europa. Auch hier kann der Kampf für die Freiheit lebensgefährlich sein.

Heute, wenn wir posthum zweier Journalisten gedenken, die in Europa aufgrund ihrer Journalistentätigkeit zu Tode gekommen sind, müssen wir erkennen: Pressefreiheit ist kein Naturgesetz. Pressefreiheit muss erkämpft und geschützt werden. Und zwar nicht nur von Journalisten, sondern aus der Mitte der Gesellschaft heraus, von uns allen. 

Der Journalist muss stets vor dem Hintergrund der Gesellschaft gesehen werden, in welcher er arbeitet. Sie ist der Resonanzboden. In ihr kann eine Schweigespirale in Gang gesetzt werden, die nach den Schwachen greift, also nach jenen, die Angst haben, sich mit ihrer Meinung gegen die vermeintliche Mehrheitsmeinung zu stellen. Wenn sich eine solche Schweigespirale in Ganz setzt, gerät die Meinungs- und Pressefreiheit ins Trudeln. Und wenn man sich ihr nicht entgegenstellt, kann diese eine vergiftende Wirkung in demokratischen Staaten entfalten.

Eine solche Schweigespirale droht auch hier in Deutschland. Sie wirkt umso stärker, je mehr wir übereinander als miteinander reden. Dann beginnt die Diffamierung, z.B. gegen die Presse als die Lügenpresse, hier beginnt die Behinderung von Journalisten. Eine solche Entwicklung gewinnt dann an Dramatik, wenn das Gewaltmonopol nicht mehr eindeutig in den Händen des Staates liegt, wenn radikale Einflüsterer an Macht gewinnen. Dann wird es auch für Journalisten gefährlicher. Es droht die Jagd auf sie, Verfolgung und sogar Ermordung.

In einer Welt, wo die schweigende Mehrheit leider immer noch die Mehrheit ist, wo die Zahl der Zuschauer und Egoisten wächst, die die Außenstehenden dieser Kultur der Freiheit sind, schwinden Vertrauen und Rückhalt in den sozialen Bezügen. Und es wächst die Einsamkeit der Journalisten. Deren Freiheit, der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen, ist der Lackmustest eines jeden Landes, das vorgibt, die Menschenrechte zu respektieren.

Die beiden Journalisten zu würdigen ist ein erster Schritt. Aber bei diesem einen darf es nicht bleiben. Wir müssen ihre Verdienste am Leben erhalten und ihren Einsatz für die Pressefreiheit weiterführen.

Dazu gehört, dass wir alle in dieser Gesellschaft erkennen, dass im Zentrum der Frage, was uns zusammenhält, zu allererst die Unverfügbarkeit der Freiheit - oder noch zutreffender - die Kultur der Freiheit stehen muss. Wir brauchen eine mutige Gesellschaft, nicht nur mutige Journalisten!

Dazu gehört, dass wir als Journalisten auch in stürmischen Zeiten standhalten und kritische Beobachter bleiben müssen! Wir sind als Journalisten einem hohen Ethos verpflichtet, der Suche nach der Wahrheit, nichts als der Wahrheit, unbestechlich, objektiv.

"Follow the money!": Recherchiere auf der Spur des nicht rechtmäßig erworbenen Geldes! Diesem Leitsatz sind auch Daphne Galizia und Jan Kuciak gefolgt. Sie waren und sind herausragende Beispiele für ihren Beruf: bei Ungereimtheiten, Fehlern und Verbrechen der Mächtigen nicht wegschauen, sich auch nicht bestechen lassen, sondern berichten, den "Finger in die Wunden legen", im guten Sinne "Vierte Gewalt" sein – auch da, wo eine demokratische Realität nicht existiert.

Ich verneige mich vor Daphne Caruana Galizia, die mit ihrer investigativen Arbeit kontroverse und heikle Informationen offengelegt und damit ganz dem journalistischen Ethos entsprochen hat.

Ich verneige mich vor Ján Kuciak, der in den Augen einiger offenbar "zu viel" über Geldwäsche per Steuervermeidung aufgedeckt hat und offenbar in ein Wespennest gestochen hat. Die Auftraggeber aus den verschiedenen Mafia-Strukturen wissen, wie verschmutze Kleider wieder sehr weiß werden, Das Blut, was dabei fließt, ist ja das Blut von anderen, nicht selten eben von Journalisten.

Es ist bitter, diese beiden Kämpfer für die Freiheit und die Wahrheit verloren zu haben.

Und ich verneige mich vor dem Sohn von Daphne Galizia und ihrer Schwester. Ich verneige mich vor den Eltern von Jan Kuciak und seinem Bruder. Ihnen gilt mein ganzer Respekt, denn sie sind diejenigen, die am meisten verloren haben.

10 Tage vor ihrem Tod in ihrem letzten Interview sagte Daphne Caruana Galizia: „Das ist wie eine permanente Kampagne gegen mich! Es ist furchtbar.

Aber ich bin immer noch hier, im Ziel-Feuer derselben Maschinerie. Das macht mich fertig. Meine größte Sorge ist, wenn Menschen sehen was mit mir passiert ist, wird diese Arbeit niemand mehr machen wollen. Sie werden sagen nie und nimmer.“

Verehrte Gäste, lassen Sie mich mit einem Appell enden:

Der Tod der beiden Journalisten darf nicht umsonst gewesen sein. Ihre Recherchen müssen fortgesetzt werden. Kein Täter, kein Auftraggeber darf verschont bleiben. Alles muss ans Licht. Das sind wir nicht nur Daphne Caruana Galizia, Jan Kuciak und ihren Familien schuldig, sondern auch uns selbst.

Denn wir, die wir uns so stolz auf unsere freiheitlichen Rechte berufen, dürfen dann, wenn es schwierig wird, nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen mutig voranschreiten. Lassen Sie uns alle gemeinsam mutig sein! //

Diese Rede hielt Háwar.help-Vorsitzende und Gründerin Düzen Tekkal zu Ehren der ermordeten Journalisten Jan Kuziak und Daphne Caruana Galizia im Rahmen der Publishers‘ Night 2018 in Berlin. 

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