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dpa, Stephan Scherzer, Special Interest

„Bei voller Leidenschaft für etwas schaue ich nicht auf jeden Cent“

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Andreas Heimann, dpa, im Gespräch mit Stephan Scherzer über Special Interest-Zeitschriften | erschienen bei dpa am 8. Mai 2018 

© iStock/GeorgeRudy

Im Zeitschriftenmarkt ist andauernd Bewegung. Fast ständig erscheinen neue Titel, etliche verschwinden bald wieder, aber unterm Strich wird die Auswahl in den Zeitschriftenregalen immer größer. Im vergangenen Jahr ist die Zahl Publikumszeitschriften in Deutschland auf 1607 gestiegen, 90 Titel sind nach den Daten des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) zum ersten Mal erschienen, 37 wurden eingestellt. So gesehen eine positive Bilanz, zumal die Branche 2017 mit Publikumszeitschriften rund 2,7 Milliarden Euro umgesetzt hat. Allerdings gibt es neue Magazine fast nur noch in der Nische - und die Zeiten der Millionenauflagen sind fast schon Geschichte.

Nischen haben einen großen Vorteil: Es gibt davon fast unendlich viele. Und wenn es schwierig wird, mit einem Heft noch zwei Millionen Exemplare zu verkaufen, dann geht das vielleicht mit 10 oder 20 Magazinen, die jeweils ihre eigene Zielgruppe haben. Das können Mountainbiker sein, Zigarren-Aficionados, Katamaran-Segler, Musicalfans, Veganer, die gerne Torten essen, oder Steak-Liebhaber, die es blutig mögen.

„Die 25-Jährigen beschäftigen sich mit etwa mit neuen Mobilitätskonzepten, E-Bikes, Smart Food, speziellen Sportthemen, das sind spannende Nischen“, sagt VDZ-Hauptgeschäftsführer Stephan Scherzer. „Ich kann in der Nische auch noch höhere Preise nehmen. Wenn ich mich mit voller Leidenschaft für etwas begeistere, dann gucke ich nicht auf jeden Cent. Das ist eine Riesenchance.“ 

Das jüngste Projekt aus dem Spiegel-Verlag heißt „Spiegel Expedition“, Startauflage 100.000 Exemplare. Das erste Heft ist Alexander von Humboldt gewidmet, dem großen Forschungsreisenden, der im 19. Jahrhundert in Asien genauso wie in Südamerika unterwegs war.  Die Zielgruppe sei deutlich jünger als die der klassischen „Spiegel“-Geschichtshefte, sagt Susanne Weingarten, Ressortleiterin Sonderthemen. „Wir stellen uns den Vater zwischen 35 und 55 vor, der abends mit seinem Kind dieses Heft durchschmökert.“

Auch das Format ist etwas kleiner als beim Hauptheft. Das neue Magazin bietet außerdem Landkarten und Buchtipps, und es gibt zwei Graphic-Novel-Geschichten zu Humboldts Reiseerlebnissen. „Es ist vom Ansatz her weit weniger wissenschaftlich-historisch, sondern ein unterhaltendes, unmittelbareres Leseerlebnis, das den Leser mit auf die Reise nehmen soll“, erklärt Weingarten. 

Bewegung im Zeitschriftenmarkt heißt aber auch: Der ein oder andere Titel verschwindet wieder - manchmal schnell. Das Magazin „Spiegel Classic“, das sich an ältere Leser richtete, hat der Verlag im vergangenen Jahr nach einer Ausgabe wieder eingestellt - weil die verkaufte Auflage nicht stimmte. In den vergangenen Jahren hat der VDZ im Schnitt jeweils mehr als 100 Neuerscheinungen gezählt. „Und etwa ein Drittel Einstellungen“, sagt Scherzer. „Das ist ein Trend, der sich fortsetzen wird.“

Mit „Neon“ verschwindet bald ein Magazin, das Printgeschichte geschrieben hat und lange Zeit ein Erfolgsprojekt war: Es erscheint am 18. Juni nach 15 Jahren zum letzten Mal. „Wir würden wahnsinnig gerne weiter ein Heft für euch machen“, erklärte „Neon“-Chefredakteurin Ruth Fend, als Gruner + Jahr Mitte April das Aus verkündete. „Aber ihr seid zu wenige geworden. Denjenigen, die sich verabschiedet haben, sind nicht genügend Jüngere gefolgt.“ Die Zeitschrift für Menschen zwischen 20 und 30 war 2003 gestartet, hatte 2011 einen Spitzenwert von durchschnittlich 237 000 verkauften Heften pro Monat - und war zuletzt auf nur noch 58 000 abgerutscht.

„Die Verlage haben von Start-ups gelernt, Chancen schneller und agiler zu nutzen“, sagt Scherzer vom Zeitschriftenverleger-Verband. „Aber es wird im Vergleich zu früher auch schneller eingestellt, wenn klar ist, der Lesermarkt ist nicht so nachhaltig, wie gedacht oder ein Trend ist vorbei.“ Die Verlage seien durch die Bank flexibler geworden. „Früher hat man gesagt, wir schießen Geld nach und man kämpft und kämpft. Es ist aber nicht so, dass die Redaktionen gleich verschwinden, sondern sie gehen auf neue Themen.“

Und Scherzer geht davon aus, dass es auch künftig Erfolgstitel geben wird, die in der Nische richtig groß werden: „Ich glaube, das nächste Landlust-Segment wird in den nächsten zwei Jahren, vielleicht schon in diesem Jahr entdeckt werden“, ist seine Prognose. „Auch da hat man ja gemeint, es ist vorbei mit den großen Auflagen. Aber dann gibt es auf einmal einen Titel, der eine Million Hefte verkauft hat, bevor dann zehn Konkurrenten auf den Markt kamen.“ Scherzers Tipp für die Zukunft: „Personality-Magazine sind ein spannendes Feld, und wie erwähnt auch die Segmente Food und Mobilität.“

Das Interview führte Andreas Heimann, dpa. //

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