Staatssekretär für Medienpolitik Rudi Hoogvliet beim MVFP Südwest: Medienvielfalt und Journalismus sind essenziell
Auf der Jahrestagung der Landesvertretung Südwest des Medienverbandes der freien Presse e.V. (MVFP) in Stuttgart diskutierten gestern rund 40 geladene Gäste aus Verlagen, Wirtschaft und Politik die aktuellen Herausforderungen und Chancen der Medienhäuser im Zeitalter der künstlichen Intelligenz (KI). Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen innovative Digitalstrategien, New-Work-Konzepte und neue Geschäftsmodelle.
„Wenn wir Wert darauf legen, dass die Menschen Qualität und Vielfalt im Journalismus rezipieren und für sich in Anspruch nehmen, dann müssen wir auch die richtigen Rahmenbedingungen dafür schaffen“, betonte Rudi Hoogvliet, Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund, in seinem Impulsvortrag. Hoogvliet vertritt seit Mai 2021 die Interessen des Landes in Berlin. Er war von 2011 bis 2021 für Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Regierungssprecher tätig und leitete die Pressestelle der Landesregierung. In seinem Impuls ging Hoogvliet auf die Herausforderungen ein, denen sich Verlage durch den technologischen Wandel und den Einsatz von KI gegenübersehen. Die Politik sei sensibilisiert dafür, dass die großen Sprachmodelle den Kern der Wertschöpfung der Verlagshäuser tangieren, so Rudi Hoogvliet. „Wir sind alle darauf bedacht, den Qualitätsjournalismus zu fördern und die Medienvielfalt zu erhalten. Nichts ist in diesen Tagen essenzieller als Qualität und Vielfalt. Denn sobald die Meinungsbildung leidet, leidet auch die Demokratie.“ Regelungen zum Umgang mit KI wollen die Bundesländer auch im neuen Reformstaatsvertrag berücksichtigen. In das laufende Beratungsverfahren seien die Vertreter des MVFP bereits in enger Abstimmung mit den Zeitungsverlegern eingebunden.
Detlef Koenig, Vorsitzender des MVFP Südwest und Geschäftsführer von mhp_medien, betonte die Notwendigkeit, sich den Veränderungen der Medienwelt nicht nur mit Weitblick und Innovationskraft, sondern auch mit einer Bereitschaft zur Kooperation zu stellen: „Da wir zahlreiche Herausforderungen gleichzeitig zu meistern haben, wird ein Kooperieren mit Kolleginnen und Kollegen anderer Verlagshäuser immer wichtiger. Und das kann unabhängig von der Größe der einzelnen Unternehmen sinnvoll sein.“
In den anschließenden Vorträgen von Branchenexpertinnen und -experten, darunter Marco Parrillo (CEO, Ebner Media Group), Dr. Sebastian Voigt (Partner, hy – The Axel Springer Consulting Group), Sebastian Turner, Gründer von Table.Media, und Elisabeth Varn (CEO, BurdaVerlag), wurden verschiedene Digital- und Pricingstrategien sowie Ansätze für die Refinanzierung digitaler Angebote durch Paid-Content-Modelle vorgestellt.
Kooperation statt Konfrontation
Welche konkreten Pläne der BurdaVerlag umsetzt, um sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen, wurde im Vortrag von Burda-CEO Elisabeth Varn deutlich. Vor einem knappem Jahr hat der BurdaVerlag seine Geschäfsführung neu geordnet und seine Strategie für das deutsche Publishing-Geschäft geschärft. Dem erfolgreichen Magazingeschäft bleibt das Medienhaus auch in Zukunft treu. Zugleich soll aber das digitale journalistische Angebot erweitert und mit gezielten Investitionen in den Ausbau alternativer Erlösquellen die Zukunftsfähigkeit des Verlags sichergestellt werden. Dabei setzt auch Burda auf „Kooperation statt Konfrontation in der Branche“, erklärte Elisabeth Varn den Gästen aus Medien, Wirtschaft und Politik. Als Beispiel nannte sie die Zusammenarbeit mit der Funke Mediengruppe und Klambt als Gesellschafter des Multi-Channel-Vermarktungsunternehmens Brand Community Network (BCN).
Spielwaren, Mensch-Mensch-Interaktion und Deep Journalism als Ansätze
Dass man als Medienhaus in einer digitalen Welt auch mit klassischen Geschäftsmodellen außerhalb von Print erfolgreich sein kann, zeigt die Blue Ocean Entertainment AG, die seit 2014 mehrheitlich zur Burda-Gruppe gehört. Das Stuttgarter Unternehmen ist Marktführer für Kinderzeitschriften in Europa und zählt zu den führenden Anbietern von Kindermedienprodukten weltweit. „Hier liegt der Fokus außerhalb des Printgeschäfts nicht im Digitalen, sondern im Haptischen“, so Elisabeth Varn. Neben den Magazinen produziert Blue Ocean sehr erfolgreich Sammelprodukte und Spielwaren wie Sticker-Serien oder Trading Cards.
Dr. Sebastian Voigt betonte, dass Verlage, die dynamisches Pricing einführen möchten, zunächst eine grundlegende Entscheidung treffen müssen: ob sie den Schritt in die flexible Preisgestaltung wagen wollen. Dies erfordert robuste Dateninfrastrukturen und Analyse-Tools, da dynamische Preise je nach Kunde und Kontext variieren. Verlage sollten die Akzeptanz dynamischer Preisänderungen in ihren jeweiligen Märkten prüfen und sicherstellen, dass sie genügend Ressourcen in die Datenaufbereitung und das Monitoring investieren, um optimale Preisentscheidungen treffen zu können.
Ansätze für neue journalistische Geschäftsmodelle in Zeiten von KI lieferten auch die Vorträge von Marco Parrillo und Sebastian Turner. Während man sich bei Ebner in Zukunft auf die „Mensch-Mensch-Interaktion“ konzentrieren will – beispielsweise mit Events wie dem Guitar Summit –, setzt Table.Media mit seinen Angeboten zu Themenfeldern wie China, Klimapolitik, Bildung oder Wissenschaft auf „Deep Journalism“: „Domänenkompetenz, Rebundling und Vertikalisierung sind die drei Merkmale, die Deep Journalism ausmachen“, erklärte Sebastian Turner. „Inzwischen hat sich für diese Fachpublikationen mit hoher Aktualität der Begriff des Briefings herauskristallisiert.“ Dabei ist Table.Media hierzulande längst nicht alleiniger Anbieter solcher Entscheider-Briefings. Auch Medien wie FAZ, Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung, The Pioneer oder Politico setzen auf das vielversprechende Genre.