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Rede von Fachpresse-Sprecher Stefan Rühling am Publishers' Summit des VDZ am 2. November 2015

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Stefan Rühling, Geschäftsführung Vogel Business Media, am Publishers' Summit 2015

Ich darf Sie nun für einen Moment  in die Welt und Perspektive der Fachmedien entführen. Die Publishers Night ist zwar vorbei, aber vielleicht fangen wir noch einmal mit einem Partyspiel an. Sie alle kennen das Partyspiel, bei dem man spontan aus drei zufällig ausgewählten Begriffen eine plausible Geschichte erzählen muss? Also etwa aus den Begriffen "Ölwanne", "Vaterschaftstest" und "Bundeskanzleramt".


Unsere drei Begriffe sind "Vielfalt", "Freiheit" und "Wettbewerb". Und es ist KEIN Spiel! Sondern es ist die Grundordnung für all unser mediales Tun. Für unsere Mediengesellschaft. Letztlich für unsere Demokratie.

Genau deshalb wollen wir vom VDZ diese drei Kernbegriffe unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses auf die Ebene der Diskussion heben. Diese Begriffe haben in der jüngeren Vergangenheit stark unter Druck gestanden. Ja, sie wurden oder werden beschädigt oder, was mir genauso gefährlich erscheint, von manch einem als zu selbstverständlich genommen. Eine Gesellschaft, unsere Gesellschaft! braucht die Medien als 4. Gewalt, als Korrektiv, in einem System der offenen Gesellschaft und der Gewaltenteilung. Wir sind eine Wissensgesellschaft in nie dagewesener, heftiger Veränderung und dazu brauchen wir wahre, glaubwürdige Informationen, wir brauchen Wissen, aus dem Entscheidungen erwachsen können. Und das gilt gleichermaßen für das private wie das berufliche Leben.

Big Point Nummer 1: Freiheit
Sie erinnern sich an die Grafik des VDZ? Die Weltkarte der Presse- und Meinungsfreiheit vs. der Unfreiheit. Die Karte der Presse- und Meinungsfreiheit verläuft deckungsgleich mit der Weltkarte der Korruption und der Abwesenheit unternehmerischer Freiheit. Ich greife dieses Bild, das wir gestern Abend gesehen haben, noch einmal auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in meiner Funktion als Sprecher der Deutschen Fachpresse bin ich sehr betroffen über dieses Bild. Denn hier wird deutlich: Es geht auch um die unternehmerische Freiheit. Es geht um die Chancen eines kreativen, agilen Unternehmertums, das sich den Veränderungen der Welt stellt. Deswegen möchte ich diese Plattform nutzen, um diesen Zusammenhang zwischen persönlicher Freiheit und unternehmerischer Freiheit zu betonen! Uns Fachmedien ist das besonders wichtig. Wir repräsentieren 350 Mitgliedsverlage mit rund 3.800 Fachzeitschriften, ebenso vielen Webportalen, Konferenzen, Messen und Informationsdiensten begleiten die Wirtschaft und sichern durch Information, Erfahrungsaustausch, Vernetzung und branchenübergreifenden Knowhow-Transfer die permanente Weiterentwicklung unserer Wirtschaft. In unserer heutigen, "zweiten" Gründerzeit ist diese unternehmerische Freiheit mehr denn je Grundlage für neue Ideen, aus denen neue Geschäfte entstehen. Unter der Knute politischer Repression und eingezwängt in das perfide Korsett der Korruption kommt wirtschaftliche Entwicklung zum Stillstand, und damit auch jegliche gesellschaftliche Entwicklung – als Basis für individuellen Wohlstand und persönliches Glück. "Life, Liberty and the pursuit of Happiness" – heißt es in der amerikanischen Declaration of Independence.

Es geht um die offene Gesellschaft! Lassen Sie uns also für die Freiheit kämpfen! Auch für die wirtschaftliche und unternehmerische Freiheit!

Big Point Nummer 2: Die Rolle der Fachmedien
Fachmedien spielen eine neue und zunehmend wichtigere Rolle in unserer wissensbasierten Gesellschaft. In einer Gesellschaft, in der Wissen der Rohstoff Nummer eins ist, dienen Fachmedien der täglichen Wissensernährung von Menschen in ihren Berufen.

Wir vermitteln Wissen für Profis und solche die es werden wollen.
Wir vernetzen die Menschen in den Märkten und ganze Märkte miteinander.
Wir schaffen die Plattformen für neue Themen und für neue Communities.
Wir sichern den Wissensaustausch und auch den branchenübergreifenden Know-how-Transfer. Damit beschleunigen wir in der Wirtschaft Innovationszyklen, was ein wichtiges Kriterium für unseren Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb ist, allen voran mit Asien und Nordamerika.Fachmedien gehen heute oft weit über die reine Information hinaus. Wir liefern auch Live-Plattformen für die face-to-face-Kommunikation in Form von Branchenevents – denken Sie an Messen und große Konferenzen – wir bieten Community Building, Data-driven-Business, Lead Generation und Kontaktvermittlung, eLearning-Plattformen, Webinare und Apps zur beruflichen Aus- und Weiterbildung und vieles mehr.

Meine Conclusio: Unsere Wirtschaft und das freie Unternehmertum brauchen die Fachmedien für die wirtschaftliche Entwicklung. Die ganze Medienbranche, auch die Fachmedien, sind gefordert wie nie, sich auf neue Verhältnisse einzustellen und mit ganz neuen Playern auseinanderzusetzen. Und wir tun dies äußerst kreativ, mit Innovationskraft und erfolgreich.

Big Point Nummer 3: ALARM!
Das alles ist gefährdet, wenn die Politik nicht die Rahmenbedingungen dafür sichert. Dann kann das gesamte System kippen. Dann erleiden aber nicht nur die Fachmedienhäuser einen existenziellen Schaden, sondern auch der gesamten Wirtschaft fehlt ein wesentliches Element der Kommunikation und der Vernetzung. Daher möchte ich im Namen der gesamten deutschen Fachpresse und des VDZ werben für die wichtige politische Unterstützung unserer Anliegen.

Wir brauchen ein EU-Datenschutzrecht, das zum einen die redaktionelle Pressefreiheit wahrt, aber auch insbesondere die unverzichtbare adressierte Kunden- und Noch-Nicht-Kundenansprache in klassischer wie digitaler Form erlaubt. Es ist sehr fraglich, ob die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung das letztlich leisten wird, und zwar selbst dann, wenn nicht noch auf den letzten Metern irrationale Paketdeals zwischen den in Brüssel verhandelnden Staaten und Institutionen weitere Verschlechterungen bringen. Das neue Recht darf nicht alles den Opt-In-Giganten wie Facebook, Google, Amazon & Co. , Twitter und LinkedIn erlauben und die Opt-Out-Datenverarbeitung europäischer Verleger und europäischer Unternehmen weiter beschränken.

Bei der Anwendung der Datenschutzgrundverordnung müssen wir alle auf die nötige Balance zwischen Datenverarbeitung und Datenschutz hinwirken, ansonsten wird Europa als digitaler Wirtschaftsstandort keine gute Zukunft haben und vor allem die Vielfalt, die Freiheit und der Wettbewerb sind gefährdet.

Ich komme zu meiner Beweisführung aus eigenem Erleben als CEO von Vogel Business Media. Wir sind ein Fachmedienhaus, das im kommenden Jahr sein 125jähriges Jubiläum begeht. Lassen Sie uns deshalb zurückgehen in die Zeit von Carl Gustav Vogel, unserem Firmengründer. Unser Founder Carl Gustav Vogel lebte damals im 19. Jahrhundert in der ersten großen Gründerzeit. Die industrielle Revolution hatte auch Deutschland erfasst und der Bedarf nach Austausch von Informationen wuchs in der entstehenden Industrialisierung stark an. Während andere Gründer wie Werner von Siemens, Alfred Krupp und Carl von Linde ihre industriellen Startups gründeten, und einer der ganz verrückten, ein gewisser Gottlieb Daimler, sogar ein Startup mit "Automobilen" gründete! Eigentlich total crazy, würde man heute sagen! Währenddessen sagte sich unser Carl Gustav Vogel 1891: "Wir wollen der Industrie eine Plattform für den Austausch direkter Marktinformationen bieten. Damit soll ein möglichst umfassendes Angebot unterbreitet werden." Und startete die bis heute älteste und größte polytechnische Fachzeitschrift der Welt, den MM Maschinenmarkt!

Basis war eine thematisch geordnete Adresskartei für die passgenaue Zuspielung von Inhalten nach Branchen. Seine Erfindung machte unter dem Namen "Wechselversand" – auch als Controlled Circulation bekannt – weltweit Karriere. Das Prinzip ist einfach: Passgenau den Inhalten für eine thematischen Zielgruppe zugespielte Werbung. Oder anders formuliert: Carl Gustav Vogel erfand, wenn man so will, das analoge Google seiner Zeit! Und wissen Sie was? Hätte es damals eine EU-Datenschutzverordnung gegeben, wie sie viele heute anstreben, hätte es den Vogel Verlag nie gegeben. Und ich stünde heut nicht hier!

Was bedeutet das für uns heute? Auch in der neuen Gründerzeit brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen, um die Transformation unserer Verlage erfolgreich voranzutreiben. Das neue EU-Datenschutzrecht wird mit darüber entscheiden, ob wir in Europa unsere redaktionelle Pressefreiheit erhalten und ob Presseverlage in der digitalen Welt erfolgreich sein können.

Big Point Nummer 4: Transformation der Medienhäuser
Wenn ich eben von Freiheit und von fairen Rahmenbedingungen gesprochen habe, haben wir als Medienunternehmer auf der anderen Seite die unternehmerische Verantwortung, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Lamentieren gilt nicht! Unser Unternehmen Vogel Business Media wird nächstes Jahr sein 125jähriges Jubiläum begehen. Wir wurden im Jahr 1891 gegründet. Und was geschah dann? Wir haben 110 Jahre erfolgreich das Geschäftsmodell Print gelebt. Das kennen Sie alle.

In den vergangenen 15 Jahren ist dann wahrscheinlich mehr an Veränderung geschehen als in den 110 Jahren zuvor. Mit der explosionshaften Vermehrung von Kanälen, Plattformen und Informationsformaten haben wir begonnen, uns massiv zu verändern. Die Strategie ist klar: Wir entwickeln uns von einem Printverlag zu einem mehrmedialen Wissens- und Kommunikationspartner. Unser Mindset geht in Richtung "Professional Information Services Company".

Und was haben wir gelernt? Was ist unsere wertvollste Erkenntnis? Das Wichtigste für die Veränderung und Transformation ist auch in Unternehmen die Kultur. Strategie allein reicht nicht, zumal die Zukunft ungewisser denn je ist. Angesichts der fundamentalen Veränderungen muss sich unser gesamtes Selbstverständnis verändern. Agilität, Flexibilität, Ausprobieren, Mut und vor allem eine offene Unternehmenskultur mit Freiräumen, gemeinsame Werte und eine gemeinsame Haltung sind essentiell und wichtiger als Strukturen und Strategien. Und eine  solche Veränderung und kulturelle Entwicklung muss wachsen, man kann sie unterstützen und fördern, aber nicht oder nur begrenzt managen.

In den vergangenen Jahren haben wir bei Vogel Print gepflegt, digital ausgebaut und ein eigenes Kongresszentrum errichtet. Insbesondere haben wir aber  in unsere kulturelle Entwicklung investiert. Und hier in Berlin haben wir unsere Beteiligungsgesellschaft Vogel Ventures gegründet, mit der wir uns an Start-ups, aktuell 12 an der Zahl, beteiligen. Hier bauen wir an neuen Geschäftsmodellen und übertragen das auf unseren Vogel Campus in Würzburg, wo wir eine eigene Gründerwerkstatt errichtet haben, um unsere Kolleginnen und Kollegen in neue Welten mitzunehmen. Meine Gleichung lautet also: Aus Strategie und Kultur entsteht Weiterentwicklung! Und lassen Sie uns dabei vor allem die Kultur nicht vergessen!

Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das waren meine Big Points oder Small Points, ganz wie wollen - aber Dinge, die mich gerade ganz besonders beschäftigen.

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