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PRINT&more, Segment, Männermagazine

Vom Bulli-Fahrer bis zum Bugatti-Fan

Erstellt von Holger Christmann

Zeitschriftenverlage entdecken neue männliche Zielgruppen | PRINT&more 4/2016 stellt das Zeitschriftensegment "Männermagazine" vor

Wer Studien über den deutschen Mann liest, der könnte meinen, es sei nicht zum Besten um ihn bestellt. Eine Untersuchung des Kölner Rheingold-Instituts verortete ihn 2015 zwischen den wenig schmeichelhaften Polen "Putin" und "Putte". Der eine ist willensstark und durchsetzungsfähig, der andere ein angepasstes "Schoßhündchen". Die Rheingold-Studie diagnostizierte eine "Erosion der Männlichkeit". Ein Sympathieträger ist auch der aktuell oft bemühte "angry white man" nicht. Bei den Verlagen sind Männer hingegen gerade beliebt wie nie zuvor. Von Outdoorzeitschriften wie "Free Men's World" und WALDEN bis zum Grillmagazin BEEF!, vom Wohlfühlmagazin WOLF über das Luxusheft "Robb Report" bis zum "ZEITmagazin MANN" umgarnen inzwischen zahlreiche Lifestylemagazine ein maskulines Publikum. Das neue "F.A.Z. Quarterly", eine visionäre Mischung aus Intellektualität und Lifestyle, ist zwar als Unisex-Magazin für die "kreative Elite" konzipiert, dürfte aber hauptsächlich männliche Leser locken, und WIRED spricht die Themen und das Lebensgefühl vor allem männlicher "Techies" an. Personalien bei "Men’s Health" und GQ zeigen, dass auch dort einiges in Bewegung ist. Mit sinkenden Auflagen kämpfen alle. Zugleich werden die Verlage immer erfinderischer, um ihre Marken auf verschiedene Standbeine zu stellen.

Wofür aber interessiert sich der deutsche Mann? Laut Umfragen vor allem für Politik, Autos, Fußball und Reisen, gefolgt von Wissenschaft und Kultur. Doch auch sein Stilbewusstsein wächst. Modebxperte Alfons Kaiser, verantwortlich für die Lifestylebeilage der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", ist überzeugt: "Der deutsche Mann wird von Tag zu Tag modeaffiner. Gründe dafür sind u. a. leichte Verfügbarkeit und wachsende Experimentierfreude dank Fast Fashion, Männermagazinen, Online-Shopping und sich wandelndem Männerbild."


Die Lektüre des modebewussten Manns


Als GQ kürzlich in Berlins Komischer Oper die Preise an die Männer des Jahres verlieh, sagte Condé-Nast-Geschäftsführer Moritz von Laffert, es sei selten schwerer gewesen, eine schon oft gestellte Frage zu diskutieren: "Wann ist ein Mann ein Mann?" Die jährliche GQ-Gala bringt nicht nur Glamour in die Hauptstadt, sie wirbt für ein Magazin, das die Bibel des modischen Mannes ist. Neben den zwölf regulären Ausgaben ist vor allem das zweimal im Jahr erscheinende, zuletzt 332 Seiten starke Sonderheft "GQ Style" eine Enzyklopädie der Trends.

Das "Gentlemen’s Quarterly" entstand 1997 aus der "Männer Vogue". Es garniert die Modestrecken mit Berichten über Stars aus Film, Sport, Musik und Gesellschaft, über Sportwagen und Unterhaltungselektronik – ein Gebiet, das Männer nachweislich fesselt. Dazwischen finden sich zeitkritische Reportagen, etwa aktuell über die "die Macht der Likes". Auch Frauen sind ein Thema des Magazins. In Shootings werden sie zwar manchmal sexy, aber nicht als Lustobjekte abgelichtet, wie Editor-at-Large David Baum betont. Politik spielt anders als im amerikanischen Schwesterblatt, das im November stolz ein achtseitiges Interview mit dem ehemaligen CIAChef Michael Hayden brachte, eine weniger große Rolle. Dafür geht es aber durchaus gesellschaftskritisch um Männerbilder. Für die Januar-Ausgabe befragte Baum den Trendforscher Matthias Horx zur Zukunft des Manns. Währenddessen wandelt sich das Geschäft. Blogger – auch "Influencer" genannt – gewinnen an Einfluss. Anzeigenkunden der Luxusbranche setzen mehr als andere auf Print, doch auch sie haben Gefallen gefunden an der Messbarkeit der Internetnutzung. GQ baute daher seinen eigenen Modeblogger auf, den Münchner Simon Lohmeyer. Der ist 27 und nennt sich einen "21st-Century Hippie". Das Magazin als Flaggschiff, das Internet als wendiges Beiboot, so tastet sich GQ an die Zukunft heran.

Vom Statussymbol zur Qualität

Die Luxusbranche vermisst auf dem deutschen Markt schon lange inspirierte neue Magazine und Umfelder für ihre Zielgruppen. Jetzt gibt es eines mehr. Thomas Ganske, der Verleger des Hamburger Jahreszeiten Verlags, holte 2016 den "Robb Report" nach Deutschland. Das amerikanische Luxusmagazin, das in den 1970er-Jahren aus einem Newsletter für historische Raritäten entstand, versteht sich als Autorität für das Beste vom Besten: von Autos über Jachten, Immobilien, Privatflugzeuge, Kunst und Wein bis zur Mode. Lizenzausgaben erscheinen in vielen asiatischen Ländern und in Südamerika. In Deutschland kann es auf 1,2 Millionen Millionäre und geschätzte 123 Milliardäre als potenzielle Leser hoffen – und auf die vielen, die sich in die Welt des Luxus hineinträumen wollen. Chefredakteur Jörn Kengelbach setzt die Einstiegshürde moderat an. "Als Leser sehe ich einen Mann, der sich mit Mitte 30 eine erste Rolex oder vergleichbare Luxusgüter gekauft hat
und sich auf diesem Weg steigern möchte", sagt er. Kengelbach weiß um die vom Protestantismus oder von der Sorge vor Neid geprägte Scheu der Deutschen, ihren Reichtum zu zeigen. Er setzt daher nicht auf Statusstolz, sondern will die "Seele der Dinge" erforschen. "Es geht um industrielle und handgefertigte Produkte von unübertroffener Qualität und letztlich um kulturelle Artefakte", sagt er. Die aktuelle Ausgabe des "Robb Report" widmet sich dem Thema Sammeln. Die fünf Ausgaben, die 2017 geplant sind, sollen u. a. von Individualisierung und Maßanfertigung handeln, vom exklusiven Urlaub und von der Zukunft des Luxus. Die jüngste Flaute der Uhrenmanufakturen sieht Kengelbach nicht als Problem. "Gerade diese Firmen können es sich auf der Jagd nach Superkunden nicht leisten, auf Marketing zu verzichten." Die "Robb Report"- Lizenz ist auch für Thomas Ganske eine Herzensangelegenheit. Der Autoliebhaber und -sammler bemühte sich über Jahre um die Lizenz und setzte sich in den Verhandlungen mit dem Lizenzgeber CurtCo Robb Media gegen größere Verlage durch.

Ein Magazin für die inneren Werte

Schon das Titelbild verrät, dass WOLF eine andere Leserschaft anspricht als der "Robb Report". Das Cover zeigt nicht den 2,86 Millionen Euro teuren Bugatti Chiron, sondern verströmt mit dem guten alten VW Bulli einen Hauch von Hippie-Romantik. Die Redaktion will "nicht so tun, als ob wir alle Steve McQueen wären. Permanent in unserem Aston Martin unterwegs vom Gin-Tonic-Gelage mit Supermodels zum Hochseeangeln in der Karibik. Wir lieben all das … Aber leben wir wirklich so?" Das neue Magazin erscheint in der Verlagsgruppe Deutsche Medien- Manufaktur, einer Tochter von Gruner + Jahr und dem Landwirtschaftsverlag Münster. Deren Geschäftsführer Frank Stahmer sagt: "WOLF ist
deutlich mehr als nur 'Flow' rückwärtsgelesen. Die Themen Innehalten, Mal-auf-die-Bremse-Treten und Über-das-eigene-Leben-Sinnieren sind ja auch für Männer nicht mehr neu. Neu ist aber die Ansprache und dass Männer sich dazu bekennen." In WOLF geht es um den Job, die Familie, Beziehungen und Freundschaft – kurzum: um das "Wesentliche" im Leben. Über das Filmauto-Quartett ist das Magazin dann aber doch auch ein bisschen "Robb Report". Flitzer wie Bonds Aston Martin DB 5 oder Steve McQueens Porsche 917 aus dem Film "Le Mans" durften in dem Kartenspiel nicht fehlen.

Es stimmt: Männer mögen BEEF!

Der Mann, so scheint es, vereint heute alles auf sich, was als politisch unkorrekt gilt. Er träumt von Boliden mit fragwürdiger CO2-Bilanz und verzehrt – Hannes Jaenicke und anderen Missionaren der veganen Ernährung zum Trotz – gerne Fleisch. Seit 2014 ist das auch amtlich. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung isst der deutsche Mann doppelt so viel Fleisch wie die Frau. Und BEEF!, das Magazin, das um das fleischliche Hauptgericht kreist, ist des Karnivoren bester Freund. Der damalige Chefredakteur von "Healthy Living", Jan Spielhagen, erfüllte sich mit der Zeitschrift den Wunsch, ein Kochmagazin für Männer zu gründen. BEEF! erreicht laut Spielhagen "eine kleine, aber hochinteressante und enorm einkommensstarke Gruppe: Männer, die leidenschaftlich gerne kochen, die hochwertige Nahrungsmittel zu schätzen wissen und die offen sind für neue Trends". BEEF! wurde zum Vorreiter für das Geschäft mit nicht medialen Lizenzen: Die reichen vom 800-Grad-Grill ("Beef-Beefer") und dem Reifekühlschrank ("Beef Dry Ager") bis zum hochwertigen Grillfleisch. Spielhagen ist sich des Gegenwinds für Fleischliebhaber bewusst: "Wir mussten schnell eine Haltung zum Thema Vegetarismus und Veganismus entwickeln. Wir haben schnell eine Antwort gefunden, die eigentlich von vornherein auf der Hand lag – nämlich Qualität. Gute Qualität bedeutet in der Regel Bio und dass man eben nicht maßlos isst." Er selbst esse viel weniger Fleisch, seit er BEEF! mache, dafür besseres.

Beim Kalorienverbrauch hilft dem Genießer "Men’s Health". Aus der aktuellen Ausgabe erfährt man, wie man diesmal "keine Winterwampe" ansetzt, sich XL-Arme wie Mark Wahlberg antrainiert oder lecker vegetarisch kocht. Einen anderen Ansatz verfolgt der Ableger "Men's Health Dad". Die Zeitschrift wendet sich an Väter, "ohne die Männer aus dem Blick zu verlieren"". Dass "Men's Health" Marktführer der Männer-Lifestylemagazine ist, zeigt, dass Fitness, Gesundheit und Bewegung für den Mann unserer Zeit einen hohen Stellenwert besitzen. In diesen Trend fällt auch die Konjunktur der Outdoor-Lifestyle-Zeitschriften wie WALDEN und "Free Men's World". WALDEN ist ein junges, lifestyliges Magazin für Männer, die gern raus in die Natur gehen, ob zum Wandern oder Angeln. "Free Men's World" beschreibt die ganz großen Abenteuer für echte Kerle, vom Trekking in den Anden über die Floßfahrt
in Laos bis zum Campen in Eis und Schnee.

Zwischen "No Nudes" und neuem Look: der "Playboy" im Wandel

Der amerikanische "Playboy" zwingt den Mann indes, sich auf neue Zeiten einzustellen. Im März verabschiedete sich das Blatt von den nackten Tatsachen. Dabei war der Kampf gegen Prüderie immer ein Anliegen des Magazins. Doch dieser Kampf "sei vorbei und gewonnen", verkündete der damalige "Playboy"-CEO Scott Flanders. "Heute reicht ein Mausklick, um sich jeden nur vorstellbaren sexuellen Akt im Internet herunterzuladen." Es ging ihm aber auch darum, das Magazin fit zu machen für das Zeitalter der sozialen Medien mit ihren engen Schamgrenzen. Amerikanische Medien zogen jetzt eine gemischte Bilanz des Richtungswechsels: 23 Prozent der Stammleser kündigten ihr Abonnement des US-"Playboy". Doch 100.000 neue Abos seien hinzugekommen, und die Kioskverkäufe des "Playboy" seien um 28,4 Prozent gestiegen. Auch die Anzeigenkunden reagieren positiv. Mit der Ernennung von Cooper Hefner, dem Sohn des Gründers und erklärten Befürworter von nackten Playmates, zum neuen Creative Officer des Hauses fragt sich nun die Branche, ob das Mutterblatt bei den Nudes die Rolle rückwärts vollziehen werde. In Deutschland blieb erst mal alles beim Alten. Zu groß war die Sorge, den Markenkern voreilig preiszugeben. Zum Jahresende 2016 verkündete der Chef der deutschen Ausgabe, Florian Boitin, aber doch ein paar Änderungen. Die Nacktaufnahmen sollen mehr Natürlichkeit ausstrahlen. Sie sollen eine Geschichte erzählen oder so aussehen, als habe ein professioneller Fotograf seine Freundin im Urlaub abgelichtet. Auf dem Titel der Januar-Ausgabe feiern spärlich bekleidete Bunnies eine ausgelassene Party. Emotion, die ansteckt, ist die Devise. Dazu passt
der neue Claim. Aus "Alles, was Männern Spaß macht" wurde "Alles, was Männer lieben". Der Verlag hat die Papierstärke auf 80 Gramm erhöht. Hochwertigkeit ist ein Thema, das auch Anzeigenkunden mögen. Der "Playboy"-Chef weiß jedoch auch, dass Zeitschriftenmachen allein heute nicht ausreicht. Es geht darum, eine Marken- und Erlebniswelt aufzubauen, und so versteht Boitin den "Playboy" mehr denn je als einen Klub mit einem speziellen Lebensgefühl. Der "Playboy" spreche Männer an, die souverän und entspannt mit ihrer Rolle als Mann umgehen. Solche Männer können sich für das exklusive "Gentlemen's Weekend" bewerben, das 2017 viermal geplant ist. Auch andere Events dienen der Leser- Blatt-Bindung. Aus dem Hause Burda kommt auch "InStyle MEN". Es funktioniert ähnlich wie die "InStyle". Männer können sich vom Stil der Stars inspirieren lassen. Das Magazin erscheint seit 2010 zweimal im Jahr zunächst im Bundle mit "InStyle" und ist danach einen Monat am Kiosk erhältlich.

Der "ZEITmagazin MANN"-Leser – stilbewusst, aber kein Fashion Victim

Dass Verlage mit dem Thema Mann auch die Anzeigenkunden ansprechen, zeigt die Neueinführung von "ZEITmagazin MANN". Die erste Ausgabe ist 180 Seiten stark und gut mit Luxusanzeigen gefüllt. Die Redaktion erzählt Geschichten über Männer, "die für sich Entscheidungen getroffen haben, um ein glücklicherer Mensch zu werden", erklärt Chefredakteur Christoph Amend. So handelt ein Beitrag von dem Baron Bodo von Bruemmer, der mit knapp 100 Jahren in Portugal ein Weingut eröffnete, von Fußballspieler Marcell Jansen, der mit 29 die Fußballkarriere aufgab, und von einem Kriminellen, der ein erfolgreicher Drehbuchautor wurde. Amend ist wichtig: "Wir machen ein Heft für erwachsene Männer. Wir wenden uns an Männer, die gleichermaßen das Leben genießen wie über das Leben und ihre Rolle nachdenken." Aber ist der deutsche Mann nicht ein Modemuffel? Amend ist überzeugt: "Viele deutsche Männer wollen gut gekleidet sein, aber sie wollen keine Fashion Victims werden – auch für sie machen wir "ZEITmagazin MANN."


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