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VDZ-Präsident fordert Schranken für Netzaktivitäten von ARD und ZDF

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Dr. Rudolf Thiemann im Interview mit Andreas Heimann, dpa | erschienen bei dpa am 10. Dezember 2017: Nach Überzeugung von Rudolf Thiemann wird es noch lange Zeitschriften geben. Die Zeiten von Megaauflagen seien aber vorbei. Im Internet sieht der neue VDZ-Präsident die Dominanz von Google & Co. bei der Werbung genauso kritisch wie die Angebote von ARD und ZDF.

(dpa) – Rudolf Thiemann, der neue Präsident des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), ist entschieden gegen größere Spielräume der öffentlich-rechtlichen Sender im Internet. „Es kann nicht sein, dass die Begrenzung öffentlich-rechtlicher presseähnlicher Angebote aufgeweicht wird“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn die Ministerpräsidenten hier keine klare Schranke setzen, dann ist vollkommen klar, dass vielen Verlagen das Wasser im Internet abgegraben wird.“ Insgesamt sieht Thiemann, der Anfang November als Nachfolger von Stephan Holthoff-Pförtner an die VDZ-Spitze gewählt wurde, die Aussichten der Branche aber positiv: „Die Leute wollen lesen, sie werden lesen, die Zeitschrift wird noch lange, lange leben.“

Frage: Wenn man sich am Zeitungsregal umschaut, die Auswahl wird immer breiter. 

Antwort: Wir können froh sein, dass die Zeitschriftenwelt, auch wenn wir uns von den Megaauflagen verabschiedet haben, so innovativ ist.

Jeden Monat werden in Deutschland rund 240 Millionen Euro für Zeitschriften ausgegeben. Jährlich haben wir 150 neue Titel, natürlich werden auch einige wiedereingestellt, aber 40 Prozent der Titel am Markt sind weniger als zehn Jahre alt.

Frage: Aber die Zeitschrift für alle gibt es nicht mehr?

Antwort: Es gibt eine Fragmentierung der Interessen der Gesellschaft, die von den Medienmachern widergespiegelt wird. Das finde ich auch großartig an der deutschen Magazinwelt. Immer wenn es irgendein neues Hobby gibt oder irgendeinen Sport, dann gibt es bald eine Zeitschrift dazu. Und wenn diese Erfolg hat, bald die zweite und die dritte, das sieht man bei „Landlust“.

Frage: Der Trend zum Wachstum in der Nische - kann das immer weitergehen? Ist der nicht irgendwann zu Ende?

Antwort: Es wird immer innovative Verlage geben, und die Eintrittschancen für kleinere Verlage sind auch besser geworden. Es heißt heute, schneller entwickeln, schneller scheitern, falls man scheitert, und dann macht man was Neues. Ich glaube, weil es immer wieder neue Themen gibt, wird es auch immer wieder neuen Lesestoff geben. Ich werde oft gefragt, wird es noch Zeitschriften geben in 10 oder 50 Jahren? Es wird immer Interesse an gut gemachten Inhalten von Zeitschriften geben.

Frage: Aber bei der Werbung wird es für Zeitschriften angesichts der Konkurrenz von Google und Facebook immer schwerer.

Antwort: Wir haben sinkende Auflagen, aber wir hatten noch nie so große Reichweiten. Die Werbekunden schalten Anzeigen, wenn wir nachweisen, dass es besser ist, bei uns zu werben. Die Skepsis bei den großen Werbetreibenden wächst, dass die Klickwirtschaft nicht nachweisen kann, was sie bringt. Da müssen wir uns anstrengen, der werbenden Wirtschaft nachzuweisen, dass in unseren Umfeldern besser geworben werden kann, dass es effektiver und effizienter ist.

Frage: Wie ernst nehmen Sie die Konkurrenz auf dem Werbemarkt durch die Global Player?

Antwort: Amazon hat gerade 2000 Vermarkter eingestellt, die haben eine Durchdringung des Marktes erreicht, wo sie sagen, wir wollen jetzt auch Werbung verkaufen - und sie werden sich auch mit Medien befassen, davon bin ich überzeugt. Im digitalen Bereich haben die großen Global Player 70 bis 80 Prozent der Werbung abgeschöpft, das Wachstum bekommen sie fast komplett.

Frage: Sind Google und Facebook nur Gegner? Auch Verlage profitieren ja von beiden.

Antwort: Das ist ja das Kuriose, auch die Öffentlich-Rechtlichen sagen genau wie die privaten: „Diskutieren Sie mit uns weiter auf Facebook“. Wenn Sender oder Verlage außerdem ihre Inhalte bei Facebook einstellen, bekommen sie eine größere Reichweite, und Facebook wird gleichzeitig bedeutender. Das ist ein sich selbst nährendes System, eine Hydra. Darüber muss man nachdenken, was lässt sich dem entgegensetzen?

Frage: Derzeit wird auch darüber diskutiert, was den Öffentlich-Rechtlichen im Netz erlaubt ist.

Antwort: Es kann nicht sein, dass die Begrenzung öffentlich-rechtlicher presseähnlicher Angebote aufgeweicht wird.

Diese Angebote sind ja nicht kostenlos, auch wenn sie dem User kostenlos erscheinen. Es ist keine Frage, dass der Wettbewerb verzerrt wird, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender so etwas kostenlos anbieten. Wenn die Ministerpräsidenten hier keine klare Schranke setzen, dann ist vollkommen klar, dass vielen Verlagen das Wasser im Internet abgegraben wird. Wenn das geöffnet würde, würde der Finanzbedarf der Öffentlich-Rechtlichen auch viel größer werden.

Frage: Auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene drohen den Verlagen Beschränkungen beim Telefonmarketing, welche Folgen hätte das? 

Antwort: Da sitzen immer Leute, die sich ausdenken, wie man es uns noch schwerer machen kann, auch mit zusätzlichen Behinderungen des ohnehin sehr restriktiv regulierten Telefonmarketings. Rund 30 Prozent der Abonnementauflagen werden durch Telefonmarketing erhalten. Wenn es da noch weitere Beschränkungen gibt, wird es mit den Auflagen schwieriger.

Frage: Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der VDZ zusammen - wäre das nicht eine Stärkung der Printbranche, die Probleme sind doch ähnlich?

Antwort: VDZ und BDZV arbeiten bei praktisch allen politischen Themen zusammen, in Berlin wie in Brüssel. Soweit es um andere Verbandsfragen geht, sagt meine Erfahrung, auch wenn man manche Probleme gemeinsam löst, hat man dann möglicherweise noch ganz andere, die man vorher nicht hatte. 

Frage: Wie sehen Sie die langfristigen Perspektiven für die Printbranche?

Antwort: Wir können gut in die Zukunft schauen und auch selbstbewusst, denn alles ist Content, unsere Gesellschaft lebt von Content. Und Content heißt, wir beschreiben die Welt, wir haben unsere Meinung dazu, wir haben unser Lebensgefühl. Die Menschen werden früher oder später merken, was ist Fake und was nicht Fake, was verdient Vertrauen und was nicht. Die Leute wollen lesen, sie werden lesen, die Zeitschrift wird noch lange, lange leben. //

Interview: Andreas Heimann, dpa

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