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VDZ Präsident Dr. Rudolf Thiemann im Interview mit dem Letter der Deutschen Fachpresse

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„Es wird immer herausfordernder, die Stimme für Freiheit und Vielfalt zur Geltung zu bringen“ | erschienen im Letter am 9. Mai 2018

Verein Deutsche Fachpresse | Letter 2 / 2018, S. 12/13

Im vergangenen November hat Dr. Rudolf Thiemann die Präsidentschaft des VDZ übernommen, auf dem Kongress der Deutschen Fachpresse im Mai wird er eine Begrüßungsansprache halten. Im Gespräch mit Karin Hartmeyer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Deutsche Fachpresse, spricht er über sein Ehrenamt im Verband und seine Erwartungen an die Politik.

Karin Hartmeyer: Die neue Bundesregierung ist seit 14. März im Amt. Neben Mediengesetzen beeinflussen insbesondere das Urheber-, das Steuer-, das Wettbewerbs- und das Datenschutzrecht den wirtschaftlichen Erfolg von Verlagen. Was sind Ihre Erwartungen an die Regierung?

Dr. Rudolf Thiemann: Meine Erwartungen richten sich auf verschiedene Bereiche. Will die Politik im Bund, in den Ländern und in Brüssel Deutschland und Europa als Standort freier Presse erhalten, muss sie erstens die Rahmenbedingungen marktwirtschaftlich finanzierter, gedruckter wie digitaler Presse verbessern. Einer aktuellen Allensbach-Umfrage zufolge erachten 94 Prozent der deutschen Bundesbürger guten Journalismus und Qualitätsmedien als sehr wichtig beziehungsweise wichtig für Gesellschaft und  Demokratie.

Ganz wichtig für uns ist zweitens das EU-Verlegerrecht. Es ist höchste Zeit Zeitschriften und Zeitungen den gleichen rechtlichen Schutz zuzugestehen, der schon lange für Film, Fernsehen und Musik gilt. Professioneller Journalismus ist die beste und wichtigste Reaktion auf Polemik und Falschinformationen im Internet. Weil die Verlage mit ihren Investitionen für diese Leistung garantieren, müssen Dritte an der Ausbeutung besser als bisher gehindert werden können. Hier haben wir mit dem Vorschlag für ein eigenes Schutzrecht der Presse, das der Berichterstatter im Rechtsausschuss des EU-Parlamentes, Axel Voss, MdEP, vorgelegt hat, viel erreicht.

Worauf können sich Medienhäuser hinsichtlich der geplanten E-Privacy-Verordnung einstellen?

Durch die geplante E-Privacy-Verordnung droht, das ist mein dritter Punkt, nach einer VDZ-Studie ein Verlust von mehr als 30 Prozent der Werbeeinnahmen journalistischer Internetangebote der Presseverlage. Die neue Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die aktuelle deutsche Regelung oder wenigstens die EU-Datenschutz-Grundverordnung das Regelungsniveau bestimmt. Mindestens ist – wie unter der letzten Koalition – dafür Sorge zu tragen, dass bei der Anpassung und Anwendung des EU-Datenschutzrechts Refinanzierungsmöglichkeiten journalistischredaktioneller Medien nicht beeinträchtigt werden.

Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, benannte jüngst die ausufernde Massenüberwachung als die größte Gefahr für die Pressefreiheit in Deutschland (siehe Letter 1/2018 S. 17). Wie stark ist aus Ihrer Sicht die Pressefreiheit in Deutschland in Gefahr?

Freiheit scheint nicht mehr so hoch im Kurs zu stehen. Daran, dass sich die Weltkarte der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen veröffentlicht, alljährlich immer dunkler färbt, haben wir uns fast schon gewöhnt. Dass aber auch in Deutschland Medien oder einzelne Journalisten unter Druck kommen, ist erschreckend. Solche Versuche, Druck auf Berichterstattung auszuüben, kommen in der Regel von extremistischen Gruppen, ob links oder rechts.

Im Zusammenhang mit Pressefreiheit sehen wir auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken verbessern soll, kritisch, weil die staatliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Inhalten auf Facebook delegiert, weil die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Gerichten auf private Unternehmen verlagert wird.

Stufen Sie soziale Medien als demokratiegefährdend ein?

Mit ihnen verbinden sich jedenfalls auch Entwicklungen, die kritisch sind für die Demokratie beziehungsweise für die Information und Willensbildung. Das Phänomen Lüge, Hass und zielgruppenspezifische Propaganda hat sich am Netz entzündet und nicht in der Printwelt. Wenn diese neuen Instrumente in die falschen Hände geraten, müssen wir uns darauf gefasst machen, dass sie wirksam gegen die Freiheit eingesetzt werden.

Hochwertiger Journalismus ist das Asset eines jeden Medienhauses – wird diese Kernkompetenz durch Medienverbände und Verlage bereits zur Genüge gefördert und kommuniziert oder gibt es noch Handlungsbedarf?

Eckart von Hirschhausen empfahl uns als Gastredner bei einem Publishers’ Summit einmal draufzuschreiben, ob die Texte von „freilaufenden Journalisten“ kämen oder aus der – Sie verstehen die Analogie – „Legebatterie“. Wenn etwa in den USA 40 Prozent der Menschen Nachrichten nur noch via Facebook empfangen, wenn sie bei Alexa die Neuigkeiten ohne Quelle genannt bekommen, sind Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Wir müssen mehr erklären, mehr sagen, was die journalistischen Prinzipien und Standards bei Recherche und Berichterstattung sind. Wir machen das beim VDZ ganz besonders auch in der Ansprache junger Menschen, Schülerinnen und Schüler, zusammen mit der Stiftung Lesen im Einsatz für die Pressefreiheit.

Sie sind seit November vergangenen Jahres VDZ-Präsident. Welche Ziele haben Sie für Ihre Amtszeit festgelegt?

Ich will ein wirkungsvoller Botschafter der Branche sein, der konfessionellen Presse, der Publikumszeitschriften und der – getreu des Kongressmottos – „leidenschaftlichen Fachpresse“. Wir haben mehr als 500 Mitgliedsverlage, mittelständische Häuser, von denen sich viele mehr als 100 Jahre durch alle Zeitläufe und im härtesten Wettbewerb behauptet haben. Sie stehen mehr als jeder andere Medienzweig für Wettbewerb, für Vielfalt und für Pressefreiheit. Letztere ist unteilbar – sie gilt für die Publikumszeitschriften ebenso wie für die Fachzeitschriften.

Wir arbeiten effizient zusammen und wirkungsvoll in der Politik. Dort werden wir nicht geliebt, aber geachtet. Die Beweglichkeit, Schlankheit und dadurch – Geschwindigkeit unserer Interessenvertretung ist ein großer Vorteil. Körpersprachlich gesagt, hat der VDZ einen guten Body-Mass-Index, um fit für den Zehnkampf zu sein – wir müssen ihn gut hegen und ordentlich ausstatten. Es kommt darauf an, unsere Form in Berlin und Brüssel einzusetzen – und zwar geschlossen.

Wie hat sich Lobbyarbeit und politische Vernetzung in den vergangenen Jahren verändert?

Das Tempo hat sich verändert, und zwar das des technologischen Fortschritts und der Notwendigkeit politisch hinterherzukommen. Ferner müssen wir nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel unsere Interessen vertreten. Die neuen Player aus dem Silicon Valley leisten sich Heerscharen von Beratern und Lobbyisten, um in Brüssel für sich Stimmung zu machen. Nichts von dem hat mit Förderung von wahrhaftem Journalismus und Verlegertum zu tun. Vor dem Hintergrund der Dominanz der Monopolisten wird es immer herausfordernder, die Stimme für Freiheit, Freiheit des Journalismus und Vielfalt zur Geltung zu bringen. Die Politik muss endlich begreifen, dass sie für Marktbedingungen zu sorgen hat, die es der freien Presse im Wettbewerb ermöglichen ein Teil und Katalysator der Demokratie zu bleiben.

Ebenso wie viele andere Branchen ist auch die Zeitschriftenbranche nach wie vor mitten drin in der digitalen Transformation. Wie wird dieser Transformationsprozess die Unternehmen und die Branche insgesamt verändern?

Wir sind doch schon komplett verändert. Gerade die Fachpresse ist auf so vielen Plattformen zuhause, aus Buch- und Zeitschriftenanbietern sind ganze Business-Information-Systeme geworden. Die Medien hat der digitale Tsunami viel früher getroffen, wir haben einen Wettbewerbs-, Erkenntnis- und Prozessvorteil gegenüber anderen Branchen. //

Dieses Interview erschien zuerst im Letter der Deutschen Fachpresse.

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