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Rede von Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB zur Preisverleihung der "Nationalen Initiative Printmedien"

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Die Staatsministerin für Kultur und Medien sprach am 26. November 2015 in Berlin zur Preisverleihung des Schülerwettbewerbs

 

Freude über die Auszeichnungen beim Schülerwettbewerb der Nationalen Initiative Printmedien (© Bundesregierung/Güngör)

Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

lieber Herr Prof. Sievernich - vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft! -

sehr geehrter Herr Albrecht,

sehr geehrter Herr Eichinger, 

sehr geehrter Herr Zürn,
sehr geehrter Herr Tzschaschel,
sehr geehrter Herr Kall,
sehr geehrte Damen und Herren,
vor allem aber: liebe Schülerinnen und Schüler!

Herzlich willkommen in Berlin zur Preisverleihung der Nationalen Initiative Printmedien unter dem Wettbewerbsmotto: "Medien 2025 - wie willst Du Dich morgen informieren?"

Falls Ihr wissen wollt, wie Generationen junger Leute sich informieren wollten, bevor es das Internet gab, rate ich nicht zu Google, nein! - sondern zu Thomas Bernhards Erzählung "Wittgensteins Neffe". Der österreichische Schriftsteller hat der Liebe zum gedruckten Wort darin ein kleines, anekdotisches Denkmal gesetzt. Da fahren zwei Freunde kreuz und quer durch Oberösterreich und Bayern, nur um die Neue Zürcher Zeitung aufzutreiben - von Salzburg über 

Bad Reichenhall nach Steyr und Wels, insgesamt 350 Kilometer, ohne Erfolg: Nirgendwo gibt es die Zeitung zu kaufen. 

Die Weiterreise nach München, Passau, Linz, Regensburg, gar direkt nach Zürich wird erwogen, jedoch aus Erschöpfung verworfen. Die Kräfte reichen nur noch für eine wüste Beschimpfung, ich zitiere: "Da wir in all diesen angeführten und von uns an diesem Tag aufgesuchten Orten die Neue Zürcher Zeitung nicht bekommen haben (…), kann ich alle diese aufgeführten Orte nur als miserable Drecksorte bezeichnen, die absolut diesen unfeinen Titel verdienen. Wenn nicht einen dreckigeren. Und es ist mir damals auch klar geworden, dass ein Geistesmensch nicht an einem Ort existieren kann, in dem er die Neue Zürcher Zeitung nicht bekommt. (…) Wir sollten uns nur immer da aufhalten, wo wir wenigstens die Neue Zürcher Zeitung bekommen, sagte ich, und der Paul war absolut meiner Meinung."

So sah wahre Liebe zur Zeitung einmal aus, meine Damen und Herren: eine Liebe, für die heute, im Zeitalter des Tablets, niemand mehr 350 Kilometer fahren muss - was uns allerdings nicht verleiten sollte zu glauben, dass die Zeitung, wie wir sie schätzen, ohne unsere Anstrengung, ohne das Engagement auch ihrer Leserinnen und Leser zu haben ist.

Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, habt schon mal keine Mühe und Anstrengung gescheut, um den Zeitungsmachern in unserer Nationalen Initiative Printmedien sehr konkrete Eindrücke davon zu vermitteln, wie ihr Euch die Medienwelt von morgen vorstellt.

Eure Wettbewerbsbeiträge laden ein zum "Kopfkino Zukunftsgedanken 2025" [Einsendung des Engelsburg-Gymnasiums Kassel], informieren über das "Medienverhalten in der Berufsschule Lichtenfels" [Einsendung Staatliche Berufsschule Lichtenfels], offenbaren "die Geheimnisse der Information" [Gymnasium Tegernsee] und präsentieren uns "TRIXY" [Einsendung der Höheren Berufsfachschule Soziales "Julius-Wegeler-Schule" Koblenz] - eine Brille, die Nachrichten in das Sichtfeld des Trägers projizieren kann. Wie auch immer die Zukunft tatsächlich aussehen wird: Eure Einschätzung, Eure Erwartungen sind wichtig, denn Ihr seid es, die als Leser (oder auch als Nichtleser) schon heute über die Zeitung der Zukunft und die Zukunft der Zeitung mitentscheiden - und damit meine ich nicht die Alternative Print oder Online, Papier oder Tablet, nein, viel wichtiger! Es geht um die Frage, ob wir die journalistische Qualität und Vielfalt, wie wir sie heute kennen, auch in Zukunft aufrechterhalten können.

Das hängt zum Beispiel von Eurer - von unser aller - Bereitschaft ab, für journalistische Qualität zu bezahlen. Recherchen, Analysen, Hintergrund-berichte, fundierte Kommentare – das sind Stärken, mit denen Qualitäts-journalismus punkten kann, die aber nicht gratis zu haben sind, egal ob im Internet, im Fernsehen, im Radio oder in der Zeitung. Natürlich bekommt man mit ein paar Klicks im Internet Informationen zu jedem nur erdenklichen Thema. Man muss sie aber, um wirklich informiert zu sein, von Hirngespinsten, Halbwahrheiten und haltlosem Herumgemeine trennen können, und man muss sie einordnen können in größere Zusammenhänge. Wie soll das gehen ohne Journalistinnen und Journalisten, die das Recherche-Handwerk beherrschen, die auch die unterbelichteten Facetten eines Themas ausleuchten, die den Einzelfall genauso wie den gesellschaftlichen Hintergrund sichtbar machen und uns, den Lesern, auf diese Weise helfen, einen Sachverhalt zu bewerten oder vielleicht auch in neuem Licht zu sehen? Das scheint den meisten Jugendlichen bewusst zu sein: Studien belegen, dass Zeitungen - auch in der jungen Generation - mit das höchste Vertrauen genießen, wenn es um die Frage geht, wie man an zuverlässige Informationen kommt.

Guter Journalismus weist den Weg in der Flut der Fakten, ordnet Informationen in Zusammenhänge ein, macht die Grautöne zwischen Schwarz und Weiß sichtbar und trägt damit zu einer informierten, aufgeklärten und kritischen Öffentlichkeit bei, die für eine funktionierende Demokratie unverzichtbar ist. Als Staatsministerin für Kultur und Medien bin ich innerhalb der Bundesregierung mit verantwortlich, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür stimmen: dass wir also, um es bildlich auszudrücken, einen fruchtbaren Boden für Qualitätsjournalismus haben, so dass dieses anspruchsvolle Pflänzchen nicht eingeht, sondern wachsen, blühen und gedeihen kann. Dafür arbeiten wir zum Beispiel an einem modernen Urheberrecht, das dafür sorgt, dass man auch im digitalen Zeitalter von geistiger Arbeit leben kann.

Wie wir uns in Zukunft informieren werden, liegt aber natürlich auch in den Händen der Medienmacher selbst. Herbert Riehl-Heyse, einer der großen deutschen Journalisten, hat oft davor gewarnt, Leser nur als Konsumenten zu sehen und auf Kosten der Qualität Punkte im Wettbewerb machen zu wollen, ich zitiere:

"Auf kurze Sicht kann man sehr gut verdienen mit Produkten, deren Verbraucher keine Nebensätze schätzen und denen überhaupt immer weniger gedankliche Anstrengung zugemutet wird. Auf lange Sicht könnte es sein, dass man sich so ein Publikum und die nächste Generation eines Publikums erzieht, das nicht mehr weiß, was eine anspruchsvolle Tageszeitung sein könnte." 

{Quelle: Gastvorlesung im Rahmen der Theodor-Herzl-Dozentur am Publizistikinstitut der Universität Wien. - gekürzt in: derstandard.at/603061/Verdirbt-Qualitaet-das-Geschaeft]

Das sehe ich genauso: Verleger und Journalisten, die in erster Linie auf Verkaufs- und Klickzahlen schielen und ihre Leser deshalb nicht informieren, sondern nur gut unterhalten wollen, sägen an dem Ast, auf dem sie sitzen. Klüger und weitsichtiger ist es, die Medienkompetenz und das Interesse junger Leute an Zeitungen und Zeitschriften zu fördern!

Genau darum geht es in unserer Nationalen Initiative Printmedien, die mein Haus gemeinsam mit Branchenverbänden und Verlagshäusern ins Leben gerufen hat. Denn wer das Zeitunglesen - ob auf dem Tablet oder auf Papier -schon in jungen Jahren schätzen gelernt hat, wird sich diese Liebe mit hoher Wahrscheinlichkeit bewahren. Ein herzliches Dankeschön deshalb den Partnern der Initiative für ihr Engagement und für die gute Zusammenarbeit, aber auch den Lehrerinnen und Lehrern, die sich mit ihren Klassen an der Initiative beteiligen und sich trotz der Fülle an Stoff in den anspruchsvollen Lehrplänen die Zeit dafür nehmen! Ein herzliches Dankeschön vor allem aber an Euch, liebe Schülerinnen und Schüler, für Eure klugen, spannenden, inspirierenden und zukunftsweisenden Antworten auf die Frage: "Wie willst Du Dich morgen informieren?"

"Wir sollten uns nur immer da aufhalten, wo wir wenigstens die Neue Zürcher Zeitung bekommen!", hieß es dazu einst bei Thomas Bernhard. Heute würde man wohl sagen: "Wir sollten uns immer nur da aufhalten, wo es wenigstens stabiles W-LAN gibt." In welcher Form auch immer Ihr Eure Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre bevorzugt - ob digital oder analog: Ich wünsche Euch, dass Ihr die tägliche Lektüre - wie die beiden Freunde in der eingangs zitierten Erzählung - als etwas Unverzichtbares erlebt! In diesem Sinne: Auf die Zukunft des Qualitätsjournalismus - Bühne frei für Eure Zukunftsvisionen!

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