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Publishers' Summit 2017, Funke, Verleger

Julia Becker: „Zusammenarbeit ist nicht die Lösung für alles, aber die notwendige Voraussetzung für vieles“

Nachrichten Publishers Summit

Verleger-Keynote von Julia Becker, designierte Vorsitzende des Aufsichtrates der FUNKE MEDIENGRUPPE, beim Publishers' Summit 2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

zunächst einmal möchte ich Ihnen, lieber Herr Thiemann, lieber Herr Scherzer, ganz herzlich für die Gelegenheit danken, hier heute sprechen zu dürfen. Ich tue das als Enkelin von Jakob Funke und Tochter von Petra Grotkamp, als Gesellschafterin und künftige Aufsichtsratsvorsitzende der FUNKE MEDIENGRUPPE. Damit bin ich, wenn ich das richtig sehe, die einzige Nicht-Managerin - oder, positiv formuliert, die einzige Familienunternehmerin und Verlegerin -, die heute und morgen ihre "Big Points" hier formulieren darf.

Das ist natürlich sehr reizvoll. Aber es stellt auch eine gewisse Herausforderung dar. Denn selbstredend werden die "richtigen", "gelernten", "lang gedienten" Verlagsmanagerinnen und Verlagsmanager mich besonders kritisch beäugen und beurteilen…

Das wird in besonderer Weise gleich für meinen ersten großen Punkt, den ich hier zur Diskussion stellen möchte, gelten:

1.

Verlage im Familienbesitz sind wichtiger denn je für die Medienlandschaft in Deutschland Nachhaltigkeit müssen Familienunternehmen nicht erst entdecken; nachhaltiges Denken, über Generationen hinweg und für künftige Generationen (manche sprechen auch gern mit einem sozialkritischen Unterton von „dynastischem“ Denken) zeichnet familiengeführte Unternehmen, gerade auch familiengeführte Verlage aus.

Manche mögen diese Unternehmensform für verstaubt, altmodisch oder zumindest nicht mehr ganz zeitgemäß halten. Ich bin aber davon überzeugt, dass familiengeführte Verlage gerade heute, in Zeiten des radikalen medialen Wandels, wichtiger denn je sind. Anders als Unternehmen, die vom kurzfristigen Shareholder Value getrieben sind, haben familiengeführte Verlage die Möglichkeit,  auch in Projekte zu investieren, die einen langen Atem benötigen. Familiengeführte Unternehmen brauchen keine „Börsen-Story“, die eher darauf abzielt, möglichst rasch Fantasien bei potenziellen Anlegern zu wecken, als diese zu erfüllen; Familienunternehmen leben von der Leidenschaft für die Produkte, von - zugegeben manchmal etwas bieder daher kommendem („Mehr Sein als Schein...“) - ökonomischem Sachverstand, von unternehmerischer Weitsicht, von Mut, Augenmaß und Verantwortung für die Gesellschaft, das Unternehmen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind genau die Eigenschaften, mit denen mein Großvater den Verlag aufbaute. Es sind auch die Tugenden, die für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zentral wichtig sind und unsere Unternehmenskultur bestimmen.

Wäre eine Investition, wie wir sie vor vier Jahren bei FUNKE mit der Übernahme der Zeitschriften und Zeitungen von Springer getätigt haben, in einem börsennotierten Unternehmen möglich gewesen? Wohl kaum: zu wenig Fantasie, die „Story“ zu wenig „sexy“, das „Sentiment“ am „Market“, um es im Imponiergehabe der Börsensprache zu formulieren, nicht wirklich gut. Dabei brauchten wir nicht einmal einen langen Atem, um die Effekte dieses für uns sehr erfolgreichen Geschäfts zu realisieren.

Das gilt aber nicht nur für Investitionen in Print. Auch bei der digitalen Transformation bieten sich Verlagen in Familienbesitz große Chancen. Wir müssen nicht auf jeden (modischen) Trend aufspringen, können auch mal abwarten, langfristige Digital-Strategien entwickeln, ausprobieren und realisieren – und das rasch, denn langfristig heißt nicht automatisch langsam. Ich bin sicher: Wir werden erleben, dass viele Familienunternehmen den digitalen Wandel erfolgreicher meistern als börsennotierte Unternehmen.

Ich halte unabhängige, in Familienbesitz befindliche Verlage aber auch aus gesellschaftspolitischen Gründen für bedeutsamer denn je: Sie sind die Hefe im Teig unserer glücklicherweise (noch) bunten Medienlandschaft. Familiengeführte Verlage bilden ein starkes Gegengewicht zu den öffentlich-rechtlichen Medien genauso wie zu den großen US-amerikanischen Media-Giganten. Sie garantieren eine breite Meinungsvielfalt und leisten mit ihren Inhalten in Zeitschriften- oder Zeitungsmarken (ganz gleich ob Print oder digital) einen enorm wirkungsvollen Beitrag zur Meinungsbildung. Wenn man auf die vergangenen sechs Jahrzehnte der Bundesrepublik zurückblickt, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die Verlage ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung im Großen und Ganzen gerecht geworden sind. Sie haben Haltung bewiesen, weil die Verleger eine Haltung hatten.

Wie wichtig eine vielfältige Medienlandschaft und eine freie Meinungsbildung angesichts der wachsenden antidemokratischen Strömungen in unserem Land sind, brauche ich hier nicht lange auszuführen. Gerade aber vor diesem Hintergrund ist die Stärkung von Verlagen im Familienbesitz mein erster Big Point für 2018.

2.

Der zweite Punkt, den ich heute machen will: Auf die Qualität der Inhalte kommt es an, nicht auf den Vertriebsweg. Olaf Scholz, Hamburger Bürgermeister und gewichtige medienpolitische Stimme der SPD, hat kürzlich in einem Interview festgestellt, ich zitiere: „Ich kann das ganze Krisengerede nicht mehr hören. Mein Eindruck ist: Nach wie vor kann mit guten Inhalten gutes Geld verdient werden, auf allen Vertriebswegen." Stimmt. Die Frage ist nur: was sind eigentlich gute Inhalte?

Ich bin davon überzeugt, dass wir in den vergangenen Jahren auch (sicherlich nicht nur) deshalb viele zahlende Leserinnen und Leser verloren haben und leider noch verlieren, weil wir eben nicht gute Inhalte geliefert haben und liefern. Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich hat es immer tolle News, ausgezeichnete Storys und ausgeklügelte Serviceangebote in unseren Zeitschriften gegeben. Aber: Allzu häufig haben wir eben auch an den Interessen, Sehnsüchten, Erwartungen unserer Leserinnen und Leser vorbei geschrieben. Gute Inhalte sind aber Geschichten, die genau das aufgreifen.

Das heißt: Wir müssen unsere Zielgruppen genau kennen, wir brauchen ein Sensorium für gesellschaftliche Entwicklungen, um frühzeitig relevante Themen zu erkennen, zu verarbeiten und weiter zu entwickeln. Wir müssen sehr genau hinhören und sollten nicht immer alles besser wissen. Das heißt letztlich nichts anderes als: Genaue Marktkenntnis, konsequente Zielgruppenausrichtung und ständige Arbeit an den Produkten. Oder lassen Sie es mich so sagen: nur die Geschichten, die nahe an unseren Leserinnen und Lesern sind, werden gekauft.

Dabei möchte ich nicht falsch verstanden werden: Nähe heißt "verstehen", bedeutet aber nicht automatisch, sich die Positionen der Leserinnen und Leser zu eigen zu machen. Es geht um Empathie, nicht darum, sich gemein zu machen. Journalistische Distanz kann auch gewahrt werden, wenn man sich bemüht, die Menschen zu verstehen  - und vielleicht ist dieses Verständnis sogar die Voraussetzung für das Einhalten journalistischer Distanz. (Beispiel: die anfänglich weit verbreitete Merkel-Besoffenheit angesichts ihres Verhaltens in der Flüchtlingsfrage war nicht Ausdruck einer Distanz – genauso wenig wie das Umschlagen in eine harte Kritik der Bundekanzlerin...)

Wenn wir diesen, meinen zweiten Big Point beherzigen, dann werden wir mit unseren Zeitschriftenmarken weiterhin erfolgreich sein: ganz gleich, ob wir unsere Inhalte digital oder print an unsere Leserinnen und Leser bringen.

3.

Eine zentrale Voraussetzung dafür, dass gute Inhalte entstehen: Wir müssen unseren Inhaltsproduzenten, den Redakteurinnen und Redakteuren den Rücken frei halten und dafür sorgen, dass ihre Arbeitsbedingungen gut sind. Das wird nur möglich sein - und damit komme ich zum dritten Punkt -, wenn wir in der Branche unsere Kräfte bündeln und die Zusammenarbeit in den Verlagsbereichen, wohlgemerkt: nicht in den Redaktionen, intensivieren.

Dass man sich unter konkurrierenden Verlegern bis aufs Blut bekämpfte, ist längst Geschichte. Es gibt mehr und mehr erfolgreiche Ansätze der Kooperation zwischen Verlagen. So etwa im Vertrieb und in der Vermarktung. Es ist ganz richtig, dass wir Großverlage zum Beispiel bei den Grosso-Verhandlungen als eine Allianz auftreten – als eine Allianz, zu der in der vergangenen Woche erfreulicherweise auch Gruner+Jahr gestoßen ist.

Aber, auch das möchte ich hier festhalten, da ist noch sehr viel mehr drin. Wir haben unsere Potenziale noch nicht ansatzweise ausgeschöpft: Immer wieder verhaken wir uns im überholten Abgrenzungsdenken, halten uns für besser, seriöser/niveauvoller, professioneller, effektiver, profitabler als die andere Verlage. Auch mancher Konflikt, der uns in den zurückliegenden Monaten beim VDZ beschäftigte, hatte hier seine Ursache.

Das können wir uns nicht mehr leisten. Zersplittert und zerstritten haben wir keine Chance gegen die Internet-Giganten, ja, nehmen wir die Vermarktung, noch nicht einmal gegen die einheimischen TV-Sender. Zusammenarbeit ist nicht die Lösung für alles, aber die notwendige Voraussetzung für vieles. Wir sollten uns füreinander öffnen, das ständige Gespräch suchen – der VDZ bietet dafür eine hervorragende  Plattform – und den Kooperationen in allen Bereichen, die nicht inhaltsrelevant sind, intensivieren. Der Gesetzgeber hat uns mit der GWB-Novelle dazu im Sommer die Möglichkeiten gegeben. Jetzt lassen Sie sie uns auch endlich nutzen.

4.

Meine Damen und Herren,

Ich bin davon überzeugt: Wenn wir diese drei Big Points beherzigen, die Bedeutung von Verlagen im Familienbesitz erkennen, uns auf die Produktion relevanter Inhalte konzentrieren und die Zusammenarbeit zwischen den Verlagen intensivieren, dann haben wir eine ganze Menge gewonnen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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