Ihr direkter
Weg zu uns.

Navigation

"Diese Märkte sind für die Verleger überlebensnotwendig"

Startseite Medienpolitik

VDZ-Geschäftsführer Wolfgang Fürstner in der Welt vom 2. Januar 2010 zum Thema Apps, dem Grundauftrag von ARD und ZDF etc.

VDZ-Geschäftsführer Wolfgang Fürstner in der Welt vom 2. Januar 2010 zum Thema Apps, dem Grundauftrag von ARD und ZDF etc. .

DIE WELT: Herr Fürstner, die Verleger beschweren sich über das geplante Tagesschau-App, mit dem man auf dem iphone das Neueste von der Tagesschau ansehen kann. Machen die Verleger nicht eine zu große Welle für so einen Nischenmarkt?

Wolfgang Fürstner: Es mag in der Tat eine eher symbolhafte Diskussion sein. Dass die ARD in den für die Verlage wichtigen Markt der Apps mit kostenlosen Angeboten eindringen will, ist aber einmal mehr Beispiel für die ungezügelte Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dies hat für die Zukunftschancen einer freien Presse existenzielle Bedeutung. Das Internet hat das Geschäftsmodell der Verleger total auf den Kopf gestellt. Es ist eine Zäsur der Medienentwicklung, vergleichbar mit der Erfindung des Buchdrucks. Die großen Magazine haben bis zu 40 Prozent der Anzeigen verloren...

DIE WELT: ...dafür kann aber die ARD nichts.

Fürstner: Das ist auch nicht der Punkt. Es geht darum, dass ARD und ZDF einen Auftrag zur Grundversorgung haben. Grundversorgung - was heißt das aber heute eigentlich? Keinesfalls, dass die ARD in jeden Markt drängt, den die Presse als Überlebensstrategie für sich benötigt. Dieses Verhalten würde das öffentlich-rechtliche System zu einer existenziellen Bedrohung für die privatwirtschaftliche Presse machen. Schon heute nimmt der öffentlich-rechtliche Rundfunk jährlich mehr als 8,4 Milliarden Euro an Gebühren und Werbeeinnahmen ein und hat damit deutlich mehr Umsatz als alle Zeitschriftenverlage zusammen. Allein aufgrund dieser Größe - einem faktischen Monopol - würde er die allermeisten mittelständischen Verlage vom Markt drücken können.

DIE WELT: ARD und ZDF wollen schlicht mit der technologischen Entwicklung Schritt halten und senden daher auch Bewegtbilder im Internet oder bieten Podcasts an.

Fürstner: Der ARD-Vorsitzende lässt auch keinen Zweifel, wohin die Reise für die ARD gehen wird, nämlich in die mobilen Medien. Und das sind die Märkte, die für die Verleger überlebensnotwendig sein werden. Daher muss die Systemfrage gestellt werden: Was ist Grundversorgung?

DIE WELT: Ein Klassiker in der Mediendebatte. Ihre Antwort?

Fürstner: Sie kann weder die Verlage noch ARD und ZDF liefern, sondern nur die Politik. Sie muss sich fragen: Brauchen wir angesichts der Vielzahl der Medien noch eine öffentlich-rechtliche Grundversorgung? Hat sich das öffentlich-rechtliche System überlebt?

Fürstner: Es ist schon seltsam, wie mit dem Zauberwort Grundversorgung ARD und ZDF ihre Daseinsberichtigung legitimieren, obwohl es angesichts der Vielzahl der Informationskanäle kein Mangel an Informationen in jeder Güteklasse gibt.

Fürstner: Die Idee der Grundversorgung entstammt den fünfziger Jahren, als es noch Frequenzmangel gab und war ein Versuch ein Mindeststandard zu setzen. Dieser Anspruch hat sich doch total überlebt. Heute müsste Grundversorgung anders definiert werden: Es ist all das, was privatwirtschaftlich nicht in gleicher oder besser Qualität angeboten werden kann.

DIE WELT: Unbeeindruckt davon lassen sich ARD und ZDF immer wieder neue Spartensender einfallen.

Fürstner: Ich glaube, dass die Politik viel zu sehr mit dem öffentlichen System verbandelt ist. Die Entlassung von Herrn Brender ist eines von vielen Beispielen dieser Art. Jeder Ministerpräsident hat gewissermaßen seine eigene Landesrundfunkanstalt und ist in deren Aufsichtsgremien. Ich bin deshalb skeptisch, was eine große Reformbereitschaft der Politik an dieser Stelle betrifft.

DIE WELT: Unser Gespräch wird jetzt etwas fatalistisch.

Fürstner: Gar nicht. Die Diskussion um die Apps ist eine Chance für eine Debatte, die am Ende zu der Frage führen muss: Brauchen wir ein öffentlich-rechtliches System? Meine Auffassung ist, dass sich das duale System überlebt hat. Wir versuchen mit einer Medienstrategie der 50er Jahre die Medienwelt des 21. Jahrhunderts zu bewältigen. Das kann nicht funktionieren. Warum denken wir nicht über eine Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach, etwa mit einer Beteiligung von Verlagen. Das könnte eine zukunftsfähige Lösung sein, statt permanent über Grenzüberschreitungen von ARD und ZDF zu streiten, die die Verlage ihrer Zukunftschancen berauben.

DIE WELT: Egal, was die Verleger machen, die Öffentlich-Rechtlichen werden nachziehen. Wenn Apple sein iSlate im Januar auf den Markt bringt, werden sich ARD und ZDF auch eine Anwendung einfallen lassen.

Fürstner: Und wenn ich Intendant eines Senders wäre, würde ich es genau so machen. Ich will den Senderchefs ihre Haltung nicht verdenken. Nur ist es der Auftrag der Politik zu fragen, ob sie sich über den Preis im Klaren ist, den eine freiheitliche Gesellschaft zahlen muss, wenn Zeitungen und Zeitschriften keine ausreichenden Marktchancen mehr haben.

Druckansicht Seite weiterempfehlen