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Holthoff-Pförtner, Pressefreiheit, Zeitschriften

Der VDZ-Präsident im FAZ-Interview

MVFP in den Medien Medienpolitik Print & Digital

Im FAZ-Gespräch: Stephan Holthoff-Pförtner, Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger | erschienen in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.12.2016: Funke-Gesellschafter Holthoff-Pförtner ist neu an der Spitze der Zeitschriftenverleger. Seine Wahl sorgte für Ärger unter den Verlagen. Er spricht über Prinz Harry, Günther Jauch, Schmuddelkinder und seine Sorgen um die Freiheit in Europa. Das Gespräch führte Jan Hauser. 

Herr Holthoff-Pförtner, warum gibt es so viele Zeitschriften am Kiosk?

Die Vielfalt in Deutschland ist einzigartig. Die Zeitschriftenmacher schaffen es, mit ihren Titeln neue Zielgruppen zu erreichen. Jahr für Jahr kommen mehr als 150 neue Titel dazu, ein Teil davon wird eingestellt, aber in der Summe haben wir heute mit 1600 Publikumszeitschriften 50 Prozent mehr Titel als vor zehn Jahren. Auch die digitalen Reichweiten entwickeln sich hervorragend. Ich glaube an unsere Branche und ihre Möglichkeiten, sonst hätten wir bei Funke nicht eine Milliarde Euro in den Kauf der Springer-Titel investiert.

Funkes Adelszeitschrift "Das goldene Blatt" titelte vor ein paar Wochen: "Harry & seine Chelsy: Jetzt enthüllt! Traumhochzeit noch vor dem Fest". Kurz darauf gab das britische Königshaus die Partnerschaft von Prinz Harry mit Meghan Markle bekannt. Haben Sie sich darüber geärgert?

Natürlich freue ich mich nicht über alles, was in unseren Medien erscheint. Die Arbeit soll aber auch nicht zu meiner Freude sein, sondern zur Unterhaltung unserer Leser. Natürlich ist nicht alles super, was von uns kommt. Über manches ärgere, über anderes freue ich mich.

Warum berichten manche Zeitschriften aus Ihrem Haus und von anderen Verlagen über falsche Nachrichten?

In unterhaltenden Zeitschriften ist die Versuchung zur Spekulation offenbar groß. Aber wenn wir eine Fehlinformation veröffentlicht haben, stellen wir sie richtig.

Stören Sie die Anwaltskosten und Gegendarstellungen in solchen Fällen?

Mehr als die Kosten stören mich überbordende Spekulationen. Das ist auch für die Glaubwürdigkeit eines Verlages nicht gut.

Der Fernsehmoderator Günther Jauch wehrt sich gegen falsche Berichte. Ihn ärgere, dass ununterbrochen Menschen getäuscht würden, weil das Versprechen der Schlagzeile überhaupt nicht gehalten werde, sagte er dem Topfvollgold-Blog. "Zu dem Zeitpunkt hat die Oma aber schon 1,50 Euro oder noch mehr ausgegeben. Ich werde also benutzt, um Leute reinzulegen und gleichzeitig das Vermögen von denjenigen, die diesen Dreck produzieren, noch zu vermehren." Wie oft hören Sie diese Klagen?

Nicht oft. Bei Günther Jauch gab es in der Tat eine in ihrer Absurdität schon fast wieder lustige Geschichte. Der Aufmacher lautete "Krach bei Günther Jauch". Und dahinter verbarg sich die Nachricht, dass in der Straße vor Jauchs Haus gebaut wurde. Ich habe mich mit Günther Jauch darüber ausgetauscht. Für andere Prominente gilt allerdings: Ich kann nicht meine Hochzeit vermarkten und zur Scheidung Berichte verhindern. Dass Erwartungen gezielt geweckt und dann nicht erfüllt werden, kann in den Medien schon mal passieren.

Es ist aber nicht falsch.

Es wird in diesem Fall gezielt das "Kopfkino" bedient. Erwartungen zu wecken und sie dann nicht zu erfüllen, ist nicht richtig.

Sie sind seit einem Monat Präsident des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Ihre Wahl hatte einen faden Beigeschmack: In dem Zusammenhang treten die Verlage Gruner + Jahr sowie der "Spiegel"-Verlag, der "Zeit"-Verlag und Medweth von Juni 2017 an aus dem Arbeitskreis der Publikumszeitschriften im VDZ aus. Wie können Sie so weitermachen?

Die Verlage verbleiben aber im Landesverband und sind damit weiter geschätzte VDZ-Mitglieder. Die Delegierten der mehr als 470 Verlage der Publikums-, Fach- und konfessionellen Presse haben ein überzeugtes und einstimmiges Votum für mich abgegeben. Die Kritiker sagen, dass es ihnen nicht um meine Person, sondern um Verfahrens- und Modernisierungsfragen geht. Damit kann ich positiv arbeiten.

Wer sagt das?

Ich rede mit allen Beteiligten. Mir ist gesagt worden, wir sollten moderner sein. Darüber kann man gut mit allen sprechen.

Dabei haben Sie sich neulich noch mit Julia Jäkel, der Vorsitzenden der Geschäftsführung von Gruner + Jahr, in Hamburg getroffen.

Ich habe in den vergangenen Wochen mit vielen Verlegern gesprochen. Das Gespräch mit ihr war mir wichtig, und es war zugewandt und offen. Ich habe mich immer als Kommunikator, Vermittler, Botschafter verstanden. Genauso verstehe ich auch das Amt als VDZ-Präsident. Ich werde immer das Gespräch suchen.

Die vier Verlage haben den Eindruck, im Vorfeld der Wahl nicht die Wahrheit gesagt bekommen zu haben. Sie haben erst gehört, dass der Münchner Verleger Hubert Burda nach 20 Jahren abtritt, als Ihre Wahl schon klar war.

Sie meinen meine "Nominierung".

In einer VDZ-Sitzung am 21. September wurde auf Nachfrage wohl gesagt, dass noch gar nicht klar ist, ob Burda zurücktritt. Wann haben Sie mitbekommen, dass Burda als Präsident abtritt?

Am Tag nach dieser Sitzung. Es war kurzfristig, weil sich Hubert Burda während der "Wahlperiode" entschloss, aufzuhören. Jeder Kandidat ist dem Votum der Delegiertenversammlung unterworfen. Bis zu meiner Nominierung vergingen einige Tage, weil ich das Okay der anderen Funke-Gesellschafter brauchte. In den Wochen bis zur Wahl hat niemand sonst seinen Hut in den Ring geworfen. Die anderen Verlage können jetzt bis zur nächsten Wahl im Juni 2018 schauen und mich nachher wiederwählen - oder wir finden eine andere oder einen anderen.

Ihre Kritiker sprechen von einem intransparenten Verfahren nach Art von Hinterzimmerbünden.

Ich war in keinem Hinterzimmer. Und das war auch nicht nötig.

Haben Funke-Geschäftsführer Manfred Braun und Burda-Vorstand Philipp Welte Ihre Kandidatur nicht sauber eingefädelt?

Die Kandidatur hat das Präsidium überzeugt. Und vor allem die Delegiertenversammlung, welche die 470 Mitglieder repräsentiert.

Ohne die vier Verlage fehlen dem VDZ Einnahmen von etwa 300 000 Euro im Jahr.

Unser Schatzmeister hat mir gesagt, es fehlt Geld, aber das sei lösbar. Der immaterielle Schaden ärgert mich mehr: Wir brauchen die Kraft der Geschlossenheit und die Mitarbeit der geschätzten Kollegen aus den Häusern, um weiterhin erfolgreich die Herausforderungen unserer Branche zu meistern. Außerdem soll nicht der Eindruck entstehen, dass die Guten nicht mit den Schmuddelkindern zusammen sein wollen.

Sie sind das Schmuddelkind?

Das Ruhrgebiet hat leider immer noch dieses Bild, und ein Ruhrgebietsverlag hat es in der Welt der schönen und reichen Hamburger und Münchner gar nicht so leicht. Im Ernst: Die Gefahr besteht darin, Journalismus zu qualifizieren. Hier der Qualitätsjournalismus und dort die anderen. Journalismus ist unteilbar, ob unterhaltend, belehrend oder fortbildend, ob Publikumspresse oder Fachzeitschriften. Ich will die einzigartige Zeitschriftenkultur erhalten, das Zusammenspiel von Großen und Kleinen, von Publikums-, Fach- und konfessioneller Presse. Dafür trete ich ein.

Sie sind auch Schatzmeister der nordrhein-westfälischen CDU. Wie passt das zum Spitzenamt der Zeitschriftenverleger?

Als Philipp Mißfelder im Sommer letzten Jahres plötzlich starb, habe ich dem Landesvorsitzenden Armin Laschet versprochen, die Aufgabe zu übernehmen. Wissen Sie, ich bin ein Homo politicus, seit nahezu fünf Jahrzehnten engagiere ich mich politisch. Ich bin davon überzeugt, dass es meiner Arbeit an der Spitze des VDZ hilft, dass ich nicht politikfern bin, sondern politische Prozesse und Persönlichkeiten aller Parteien kenne und selbst als Inhaber Verantwortung trage.

Ist es schwierig, als Medienunternehmer einer Partei anzugehören?

Nein. Mit der Vielfalt zwischen "Westdeutscher Allgemeiner Zeitung", "Westfalenpost", "Westfälischer Rundschau" und "Neuer Rhein/Neuer Ruhr Zeitung" lebe ich seit langem ausgesprochen gut. Neulich war ich im Gespräch mit Unternehmern in Nordrhein-Westfalen, die der festen Überzeugung waren, dass Chefredakteure in Berlin mit Vertretern der Politik die Linien festlegen. Diese Wahrnehmung hat nichts mit der Realität zu tun, aber wir müssen sie sehr ernst nehmen. Denn für die Demokratie sind diese Zerrbilder dramatisch. Pressefreiheit setzt im Übrigen immer auch unternehmerische Freiheit voraus. Der freieste Journalist ist immer der, welcher von seinen Lesern lebt. Deshalb bin ich entschieden gegen weitere öffentlich finanzierte und damit auch mitbestimmte Medien. Die Antwort auf die Herausforderungen gerade der Digitalisierung können nicht staatliche Auffanglösungen sein. Was wir brauchen, ist eine konsequentere Politik, die den Lippenbekenntnissen endlich mehr faire Wettbewerbsbedingungen folgen lässt.

Was haben Sie an der Spitze der Zeitschriftenverleger vor?

Ich will dazu beitragen, die einzigartige Zeitschriftenkultur zu erhalten, getragen von mehr als 470 zumeist inhabergeführten, mittelständischen Verlagen. Mich treiben die Werte Freiheit, Vielfalt und Wettbewerb um. Die Beschneidung der bürgerlichen Freiheit beginnt immer bei der Pressefreiheit. In der Türkei erleben wir das gerade in bestürzender Weise. Wir leben in Deutschland in einer pluralen Gesellschaft, die ich genieße und auf die ich stolz bin. Ich hätte mir 1969, als ich die Schule verließ, nicht vorstellen können, dass ich im Jahr 2016 verpartnert sein würde und mit einem Adoptivsohn, seiner Frau und deren Kindern in einer Gesellschaft frei leben kann - und akzeptiert werde. Diese Gesellschaft müssen wir verteidigen. Ich habe große Sorge, dass in Europa die bürgerlichen Freiheiten gefährdet sind. Wenn ich mich als Präsident des VDZ für den Erhalt fairer Rahmenbedingungen für Verlage und die Pressefreiheit einsetze, dann engagiere ich mich für die Grundlage freiheitlicher Gesellschaften - das beflügelt mich.

Wer schränkt die Pressefreiheit ein?

Der Terror, den wir beispielsweise bei dem Angriff auf "Charlie Hebdo" erlebt haben, richtet sich gegen freies Denken und Schreiben und das Lügenpresse-Geschrei gegen das Publizieren unbequemer Wahrheiten. In Koppelung mit einer weitverbreiteten Gleichgültigkeit und dem Rückzug in die Welt sozialer Medien, die für jede Zielgruppe eine eigene Wahrheit bereithält, kann diese Tendenz höchst gefährlich werden. Und staatliche Repressionen gefährden immer auch die Pressefreiheit. Denken Sie nur daran, was in Russland, in Polen oder Ungarn geschieht. Europa ist nicht auf dem Vormarsch zu einer freien Bürgergesellschaft.

Das Gespräch führte Jan Hauser.

Der Anwalt 
Der 68 Jahre alte Stephan Holthoff-Pförtner besitzt 16,7 Prozent an der Essener Funke-Mediengruppe. Das Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro gibt Regionalzeitungen wie die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (WAZ) und Zeitschriften wie "Gong" heraus. Vor zwei Jahren kaufte es die "Berliner Morgenpost", das "Hamburger Abendblatt", "Hörzu" und andere Titel für 920 Millionen Euro von Axel Springer. Zum Gesellschafterkreis gehören Petra Grotkamp als Mehrheitsgesellschafterin und Renate Schubries. Sie sind Töchter des WAZ-Mitgründers Jakob Funke - wie auch die verstorbene Gisela Holthoff, deren Adoptivsohn Holthoff-Pförtner ist. Ihren leiblichen Sohn Frank Holthoff hat er ausgezahlt. Holthoff-Pförtner arbeitet als Rechtsanwalt in der eigenen Kanzlei in Essen und hat als Mandanten Politiker vertreten, darunter auch den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl in der Parteispendenaffäre. Im November wurde er zum Präsidenten des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) gewählt. Daraufhin kündigten vier Verlage ihren Austritt aus dem Arbeitskreis Publikumszeitschriften an.

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