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Fokus Europawahl | Dr. Katarina Barley: „Vorsicht bei Verboten und weiteren Einschränkungen“

Medienpolitik Print & Digital

Dr. Katarina Barley (SPD) spricht im Interview mit MVFP impuls über Schlüsselthemen für Presseverlage.

Credit: Katarina Barley / SPD

Im Vorfeld der Europawahlen am 9. Juni hat MVFP impuls die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der zur Europawahl antretenden Parteien zu ihrer medienpolitischen Agenda - zu KI, Datenschutz, Torwächterplattformen und Werberegulierung - befragt. Im Folgenden lesen Sie die Antworten von Dr. Katarina Barley (SPD), MdEP, EP-Vizepräsidentin und SPD-Spitzenkandidatin für die Wahl zum Europäischen Parlament.


MVFP impuls | KI bietet Chancen für Verlage und Redaktionen. Andererseits kann KI bereits heute kostenintensive menschengemachte Presse in Sekundenschnelle und zu Kosten nahe null für perfekte Konkurrenzpublikationen im Primärmarkt der jeweiligen Publikation verwerten. Sollte eine solche Verwertung gegen den Willen der Verlage rechtlich zulässig sein, wäre menschengemachte Presse – und letztlich jede menschliche kreative Leistung – nicht mehr privatwirtschaftlich finanzierbar. Die Verleger fordern daher ein robustes Verfügungs- und Vergütungsrecht für die Verwertung redaktioneller Inhalte durch KI. Jedes derartige Recht läuft allerdings leer, wenn KI nicht verpflichtet wird, über die zu Trainings-, Input- oder sonstigen Zwecken verwendeten Inhalte lückenlos zu informieren. Wie stehen Sie zu dieser Forderung nach einem Schutz menschlicher Kreativität?
Dr. Katarina Barley (SPD) | KI bietet große Potenziale, den Journalismus in vielen Bereichen voranzubringen. Wenn aber arbeitsintensiv recherchierte Inhalte ohne eigenen Recherche- und Herstellungsaufwand automatisiert genutzt und (re-)publiziert werden können, wird die Vermarktung der von Menschen recherchierten und produzierten Inhalte ungleich schwerer, wenn nicht gar unmöglich. Aktuell sind die juristischen Möglichkeiten der Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber beschränkt, gegen eine solche Nutzung ihrer Werke vorzugehen. Hier müssen wir als Gesetzgeber dringend nachschärfen. Es muss gewährleistet sein, dass Urheberinnen und Urheber gefragt und vergütet werden, wenn ihre Inhalte zu KI-Trainingszwecken genutzt werden. Es braucht Transparenzpflichten, und zwar in zwei Richtungen: Erstens muss erkennbar sein, wenn ein journalistischer Inhalt mit KI erstellt wurde. Zweitens muss nachvollziehbar sein, an welchen Quellen sich KI bedient hat – mit welchem Material sie trainiert wurde. Beide Regelungen sind im AI Act geregelt, entscheidend ist nun, dass sie auch konsequent durchgesetzt werden.

Die Publikationen unserer Mitglieder werden zunehmend über marktmächtige oder sogar monopolistische Torwächterplattformen verbreitet. Jüngere nutzen derartige Plattformen vielfach sogar als Hauptmedienquelle. Wir fordern für solche Torwächter, dass sie nicht willkürlich über Zugang und Sichtbarkeit von Publikationen und deren etwaige Bezahlung entscheiden dürfen, sondern, wie klassische Vertriebswege, alle legalen Presseprodukte fair und diskriminierungsfrei behandeln müssen. Wie ist die Haltung Ihrer Partei zu dieser Frage?
Für die SPD ist klar, dass die Verbreitung von legalen Presse- und Medienangeboten diskriminierungsfrei erfolgen muss und dass Medienfreiheit und -vielfalt sichergestellt werden müssen. Wir haben uns daher beim European Media Freedom Act für die Stärkung der Mediendiensteanbieter gegenüber den großen Online-Plattformen eingesetzt, dass die großen Online-Plattformen Inhalte von Mediendiensteanbietern nicht löschen oder den Zugriff auf diese verhindern/beschränken dürfen, ohne diese vorher angehört zu haben. Zu beachten sind darüber hinaus die Vorgaben des DSA und des DMA, die auch Regelungen zur Begrenzung der Marktmacht und hierbei insbesondere zur Verhinderung des Missbrauchs ihrer Gatekeeper- oder Torwächterrolle enthalten.

Immer weiter verschärftes Datenschutzrecht hat zu Gesetzen geführt, nach denen digitale Presse nur noch mit einer Vielzahl von Einwilligungen der Leser betrieben und finanziert werden kann. Gestaltung und Auslieferung der redaktionellen Angebote, Schutz gegen Ad-Blocker, Reichweitenmessung, Werbefinanzierung, Leserwerbung und der Verkauf an digitale Leser sind typische Existenzbedingungen digitaler Presse, die inzwischen vielfach ohne konkrete Einwilligungen nicht möglich sind. Wenn Gesetze damit digitale Presseangebote weitgehend von komplexen Einwilligungen abhängig gemacht haben, müssen sie im zweiten Schritt wenigstens sicherstellen, dass die Verlage die gesetzlich nötigen Einwilligungen von ihren Lesern auch in praktikabler Weise einholen können und dass solche Einwilligungen von Internetzugangssoftware und Gatekeepern beachtet werden müssen. Können Sie diese Position unterstützen? 
Die Einwilligung ist nach dem europäischen Datenschutzrecht von zentraler Bedeutung. In Deutschland wird seitens der Bundesregierung derzeit an einer Verordnung über Dienste zur Einwilligungsverwaltung nach dem Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (Einwilligungsverwaltungsverordnung – EinwV) gearbeitet, mit der ein europa- und datenschutzrechtskonformer Lösungsansatz für die von Ihnen angesprochenen Herausforderungen ermöglicht werden soll. Durch die Einbindung anerkannter Dienste zur Einwilligungsverwaltung sollen nutzerfreundliche und wettbewerbskonforme Verfahren zur Einholung und Verwaltung der erforderlichen Einwilligungen geschaffen werden. Dabei ist die Frage, wie genau die Vorgaben für diese anerkannten Dienste ausgestaltet werden sollen, Gegenstand der derzeitigen Ressortabstimmung.

Werbung ist für die Finanzierung einer freien Presse unverzichtbar. Dennoch gibt es regelmäßig Vorschläge für neue Werbeverbote und Einschränkungen durch plakative Zwangsinformationen in der Medienwerbung. Wie stehen Sie dazu?
Ich rate zur Vorsicht bei Verboten und weiteren Einschränkungen. Werbung und Sponsoring sind für unser duales Rundfunksystem von großer Bedeutung. Die Werbeeinnahmen ermöglichen den Sendern die Produktion eines hochwertigen Programmumfelds, damit garantieren wir Wettbewerb und kulturelle Vielfalt. Betroffen davon wären vor allem mittelständische Unternehmen. Zudem kommen die eingesparten Werbebudgets nicht der Presse und dem Rundfunk zugute, sondern höchstens ausländischen. Werbung als Teil der Rundfunkregulierung liegt allerdings in der Hoheit der Länder. //

 



Medienpolitische Themen des MVFP

  1. Diskriminierungsfreie Presseförderung durch reduzierte Mehrwertsteuer
  2. Publizistische und ökonomische Pressefreiheit im Plattforminternet
  3. Regulierungsaspekte von KI: Menschenmedien und künstliche Konkurrenz
  4. Verarbeitung personenbezogener Daten als Existenzbedingung freier Presse
  5. Mediale Werbefreiheit
  6. Wettbewerbsrecht (GWB)
  7. Neues Medienkonzentrationsrecht auch für die Presse im Medienstaatsvertrag?
  8. Abonnementvertrieb (Telefonmarketing)
  9. Wettbewerbsverzerrende öffentlich-rechtliche Angebote, insbesondere öffentlich-rechtliche digitale Presse
  10. Staatliche Presse, insbesondere das nationale Gesundheitsportal
  11. Gemeinnütziger Journalismus
  12. Urheberrecht (mit anderen als KI-Themen) 
  13. Medienfreiheitsgesetz der EU
     

Hier lesen Sie das Interview mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Die Antworten von Terry Reintke (Die Grünen) lesen Sie hier nach.

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