Bezahlbare und diskriminierungsfreie Pressezustellung für Zeitschriften und Zeitungen
Diese bewegten Tage zeigen die Bedeutung einer freien und vielfältigen Zeitschriftenpresse: Die Menschen informieren sich über alle persönlichen, beruflichen und politischen Aspekte der Krise, insbesondere auch aus den gedruckten und digitalen Angeboten der Fachmedien, Publikumszeitschriften und konfessionelle Presse. Das ändert aber nichts daran, dass die Zeitschriftenverlage vor der bislang schwersten Prüfung in ihrer Historie stehen. Themen wie steigende Zustellungskosten oder die drohende E-Privacy-Verordnung bergen auch ohne Corona-Folgen existenzielle Gefahren. Mit der Krise hat sich die Situation massiv verschärft. Die Werbeeinnahmen sind – je nach Sektor – zwischen 20 und bis in der Spitze über 80 Prozent eingebrochen; das trifft besonders die anzeigenfinanzierte Fachpresse in bestimmten Industriebereichen. Verkaufsstellen an Flughäfen und Bahnhöfen verlieren teilweise über 50 Prozent der Verkäufe, darunter viele mit großem Sortiment, was insbesondere Special-Interest-Titel hart trifft. Im Einzelverkauf sind derzeit rund 8 Prozent der Verkaufsstellen geschlossen. Im Einzelhandel ist die Nachfrage nach Zeitschriften aktuell noch annähernd stabil. Die deutlich gestiegene Nachfrage nach digitalen Angeboten kann die Rückgänge bei weitem nicht auffangen. Umso wichtiger ist es, dass der Staat die für alle Verlage maßgeblichen Rahmenbedingungen so ausgestaltet, dass die gesamte Presse, Zeitschriften und Zeitungen, weiterhin unabhängig publiziert und auskömmlich finanziert werden können.
Der Gesetzgeber ist gefordert
Trotz der massiven, teilweise existenzbedrohlichen Umsatzrückgänge wollen die Zeitschriftenverleger die Krise unternehmerisch und ohne staatliche Zuschüsse bewältigen. „Die große Nachfrage der Bürger nach unseren Inhalten macht die Qualität und Relevanz der journalistischen Angebote der Zeitschriften deutlich. Wenn die Bundesregierung derzeit überlegt, wie die vom Bundestag für 2020 bewilligten 40 Millionen Euro der Infrastrukturförderung ausgegeben werden sollen, müssen die Weichen ordnungspolitisch richtig gestellt werden. Die private Zustellung muss unabhängig davon gefördert werden, ob Zeitungen oder Zeitschriften zugestellt werden. Wir brauchen den nachdrücklichen Beistand des Staates bei strukturellen Existenzfragen zur Sicherung fairer und dauerhaft finanzierbarer Marktbedingungen“, erklärt VDZ-Präsident Dr. Rudolf Thiemann.
Der Sprecher der Publikumszeitschriften und VDZ-Vizepräsident Philipp Welte sagt: „Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die publizistische Arbeit der Verlage systemrelevant ist.“ Das Bedürfnis der Menschen nach nachhaltig präziser Information, nach verlässlichem Service genauso wie nach guter journalistischer Unterhaltung sei in der Krise dynamisch gestiegen. Eine Zwischenauswertung der agma für die erste Erhebungswelle 2020 zeige, dass die Publikumszeitschriften im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Reichweitensprung von 25 Prozent verzeichneten. Außerdem sei die Zahl der Abonnements im März gewachsen wie selten zuvor. „Gerade in dieser Phase der Unsicherheit hat sich die Bedeutung des Verlagsjournalismus gezeigt. Die Menschen suchen Information und Inspiration und vertrauen dabei unseren Marken.“ Allerdings kämpften die Verlage in der Auslieferung ihrer Zeitschriften an die Leserinnen und Leser seit Jahren mit steigenden Postzustellpreisen. „Weitere Preissteigerungen, die einen Teuerungsausgleich übersteigen, sind für uns Verlage nicht mehr verkraftbar. Wir fordern die Politik auf, dieses Problem jetzt nachhaltig zu lösen und eine Post-Pressezustellung zu bezahlbaren Preisen zu ermöglichen“, so Welte. Es sei möglich, dass das nur mit einer staatlichen Unterstützung der Postzustellung zu lösen sei. Welte betont: „Diese diskriminierungsfreie Unterstützung für Zeitschriften und Zeitungen gab es schon einmal, bevor die Post privatisiert wurde. Sie bedeutet auch heute keine Gefahr für die Pressefreiheit, weil sie allen Titeln und Gattungen unterschiedslos zugutekommt.“
Ohne eine Infrastruktur-Förderung des Staates für die Zustellung von Zeitschriften und Zeitungen wird es schon sehr bald zu einer dramatischen Schieflage der Zustellkosten, der Zustellqualität und damit der Verfügbarkeit gedruckter Presse für die Bürger kommen. „Pressevielfalt besteht aus Zeitschriften und Zeitungen. Wir halten nichts davon, wollte man Zeitungen und Zeitschriften gegeneinander ausspielen. Beide Kategorien sind unverzichtbarer Teil der freien Presse und ergänzen sich in idealer Weise. Die Zeitungen berichten täglich in der gebotenen Aktualität über alle relevanten Themen aus Politik, Kultur und Gesellschaft; die Zeitschriften berichten in anderen Erscheinungsintervallen, aber in der nötigen Tiefe über einzelne dieser Themen. Und sie berichten über viele Themen, die in der aktuellen Presse zu Recht nicht vorkommen. Das gilt für die Publikumspresse wie für die Fachpresse. Gemeinsam bieten Zeitungen und Zeitschriften eine einzigartige Pressevielfalt, die als solche insgesamt erhalten werden muss“, betont Dr. Thiemann.
Der VDZ hält deshalb einen zügig einzuberufenden Logistik-Gipfel mit allen relevanten Entscheidungsträgern aus Politik, Post und Verlagen für dringend erforderlich. „Wir müssen schnell an einem runden Tisch klären, was jeder zu einer einvernehmlichen und dauerhaft tragbaren Lösung in der Zustellung beitragen kann“, so Welte. Weitere Ergebnisse der aktuellen VDZ-Trendumfrage unterstreichen die Notwendigkeit einer gemeinsam getragenen Zustellung bei gedeckelten Kosten. So halten 84 Prozent der befragten Verlage der Publikums-, Fach- und konfessionellen Presse weitere Preissteigerungen bei der Zustellung deutlich oberhalb der Inflationsrate wie zuletzt bei der Post für nicht mehr verkraftbar.
Für die Fachpresse stellt sich die Situation durch die Corona-Krise nach Einschätzung des Sprechers der Deutschen Fachpresse und VDZ-Vizepräsidenten Dr. Klaus Krammer in Teilen dramatisch dar: „Die Fachpresse ist der Teil der Presse, der seine Leser in ihren jeweiligen Berufen, vom Einzelhändler über den Handwerker bis zum Ingenieur und Computerspezialisten, informiert und bildet. Wir erleben gerade einen nicht vorstellbaren Tiefpunkt der Marktentwicklung für Teile der Fachpresse. So rasant und drastisch, wie sich insbesondere das Anzeigen-Minus von bis zu 80 Prozent ergeben hat, das Konferenzgeschäft vollständig zum Erliegen kam und Fachbereiche wie Maschinenbau, Automobilzulieferung, Textil und Mode getroffen wurden, ist es in der Tat für viele Fachverlage existenzbedrohend.“ Krammer weiter: „Umso wichtiger ist es für die Fachpresse, dass eine verlässliche Zustellung zu bezahlbaren Bedingungen nachhaltig gesichert wird. Wir lassen jährlich rund 400 Millionen Zeitschriftenexemplare zustellen, davon über 90 Prozent per Post. Mehr als ein Ausgleich der Teuerungsrate bei der Postzustellung ist nicht mehr verkraftbar. Und natürlich wäre es auch nicht akzeptabel, würde ein privat zugestellter Titel der Fachpresse bei der Zustellförderung schlechter behandelt werden als andere Teile der Presse.“
Um eine wirtschaftlich gesicherte Zukunft der Zeitschriftenbranche für die nächsten Jahre zu gewährleisten, mahnt der VDZ ein Belastungs-Moratorium an. „Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung und das Parlament in dieser Krise weitere Belastungen für das digitale oder klassische Verlagsgeschäft unterstützten oder gar vorantreiben!“, appelliert Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des VDZ. Als Beispiele nennt er:
- Die E-Privacy-Verordnung bedroht sowohl die digitale Werbung der Verlagswebsites als auch die Werbung digitaler Abonnenten, die von größter Bedeutung für die gesamte Presse sind. Die E-Privacy-Verordnung bedroht zudem das Telefondirektmarketing, das für den Erhalt des Abo-Stamms von Zeitschriften und Zeitungen von herausragender Bedeutung ist. Beidem muss die Bundesregierung auch in ihrer EU-Ratspräsidentschaft ab Juni entschieden entgegentreten. Auch ein kurzfristig geplantes nationales Datenschutzgesetz darf keinesfalls die digitalen Verlagsangebote beeinträchtigen.
- Der Vorschlag für ein gesetzliches Verbot längerer Abolaufzeiten muss endlich vom Tisch. Die bestehenden Möglichkeiten der Gestaltung von Abonnementlaufzeiten sind vielfaltsfördernd. Ebenso wenig darf das Telefonmarketing noch weiter beschränkt werden. Es ist ein unverzichtbarer Vertriebsweg für Zeitschriften und Zeitungen.
- Deutschland muss das EU-Presseverlegerrecht effektiv umsetzen und die Verlegerbeteiligung zügig wieder einführen.
- Der Entwurf der GWB-Novelle sollte verbessert werden, um einen diskriminierungsfreien, fairen und ungehinderten Zugang aller Angebote zu digitalen Monopolplattformen effektiv sicherstellen zu können.
„Keine der vorangegangenen Krisen wird so folgenreich sein wie diese – wir erleben einen enormen Stresstest für alle Systeme. Die Corona-Krise wird unsere vielfältige Zeitschriftenlandschaft deutlich zum Schlechteren verändern, wenn die Politik die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht fair gestalten. Die Instrumente und gesetzgeberischen Mittel dafür sind vorhanden“, warnt Scherzer.
Von dieser Entwicklung ist nicht nur eine der beiden entscheidenden Finanzierungssäulen des Zeitschriftengeschäfts maßgeblich betroffen. Wie die rund drei Wochen nach dem Lockdown durchgeführte Trendumfrage (deckt rund zwei Drittel des Marktumsatzes ab) des VDZ bei seinen Mitgliedsverlagen ergab, rechnen die Zeitschriftenverleger aktuell im Anzeigengeschäft aufs Jahr gesehen im Schnitt mit einem Minus zwischen 20 Prozent und in der Spitze 80 Prozent. Zudem ist der Vertriebsmarkt durch die veränderten Verkehrsströme, mit rund 8 Prozent geschlossenen Verkaufsstellen und großen Rückgängen von teilweise über 50 Prozent im Bahnhofsbuchhandel, an Flughäfen und Tankstellen, deutlich getroffen.
Die Nachfrage nach Informationen auf digitalen Medienkanälen ist zwar sehr deutlich gestiegen, wird sich jedoch in der Kasse der Verlage bis Ende 2020 lediglich mit einem jetzt erwarteten Umsatzplus von rund 4 Prozent auswirken. Darüber hinaus erweist sich das bisher umsatzstarke Veranstaltungsgeschäft für praktisch alle Verlage als Totalausfall. Im Schnitt wird laut VDZ-Trendumfrage mit einem Minus von 48 Prozent über das Jahr gerechnet – vorausgesetzt die Corona-bedingten Einschränkungen sind bis Mitte des Jahres auf ein Mindestmaß zurückgeführt.
Der aktuellen Situation entsprechend nehmen viele Zeitschriftenverlage das Arbeitsmarkt-Instrument der Kurzarbeit in Anspruch. Danach erwägt die Hälfte der Verlage, Kurzarbeit in einzelnen Unternehmensbereichen und weitere 33 Prozent im gesamten Unternehmen einzusetzen. 17 Prozent äußerten die Absicht, ohne Kurzarbeit auskommen zu wollen.
Zeitschriftenverlage 2019 mit rund 20 Milliarden Euro Umsatz
Dank der publizistischen Kreativität, der journalistischen Qualität sowie den Investitionen in das Digitalgeschäft und in neue Geschäftsfelder haben die deutschen Zeitschriftenverlage 2019 ihre Marktposition in einem herausfordernden Marktumfeld behaupten können. Die 5.537 Fach- und 1.569 Publikumstitel erwirtschafteten 2019 einen leicht rückläufigen Branchenumsatz von 20,2 Milliarden Euro (2018: 20,6 Milliarden Euro). Dem in einzelnen Segmenten bereits erheblichen Umsatzrückgang im Werbegeschäft standen dabei Zuwächse in den sonstigen Geschäftsfeldern gegenüber.
Die nach 2018 bereits zum zweiten Mal von der Schickler Unternehmensberatung im Auftrag des VDZ ermittelten Umsatzerlöse der VDZ-Mitgliedsverlage in den Bereichen Bildung, Veranstaltungen, Software und Services, Stellen-Plattformen und Transaktionsplattformen entwickelten sich 2019 durchweg positiv. Insgesamt erwirtschafteten die Verlage damit 4,08 Mrd. Euro nach 3,95 Mrd. Euro in 2018. Den weitaus größten Anteil machten mit 2,30 Mrd. Euro die Transaktionsplattformen aus. Sie umfassen Erlöse aus dem E-Commerce, aus Vergleichsportalen und Online-Rubriken-Märkten. Über den Bereich Bildung wurden Umsätze in Höhe von 332 Mio. Euro, über Veranstaltungen 246 Mio., über Software & Services 425 Mio. und über Stellen-Plattformen 773 Mio. Euro erzielt, die mit plus 9,1 Prozent auch den höchsten Zuwachs realisierten.